Anzeige
Sonnensystem

Januskopf Jupiter

Warum der Gasriese die Erde zugleich schützt und bedroht

Was wäre, wenn es den Jupiter nicht gäbe? Dann sähe das Sonnensystem heute mit Sicherheit anders aus als jetzt. Denn die Präsenz eines so gewaltigen Planeten und seiner Schwerkraftwirkung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf seine Nachbarn. Schon in der Anfangszeit des Sonnensystems beeinflusste der Gasriese daher wahrscheinlich vor allem die Bahnen der heute äußersten beiden Planeten Uranus und Neptun.

Die äußeren Planeten entstanden vielleicht an anderen als ihren heutigen Positionen © NASA

Schubsen und Drängeln im frühen Sonnensystem

Denn auch sie könnten sich ursprünglich in der Region zwischen fünf und zehn Astronomischen Einheiten von der Sonne entfernt gebildet haben, gemeinsam mit Jupiter und Saturn. Jupiter als der größte und am dichtesten an der Sonne stehende sammelte dabei als erster eine dicke Gashülle um sich, der etwas kleinere Proto-Saturn tat es ihm nach. Beide nahmen dadurch an Masse und damit auch an Schwerkraft zu. Dadurch zogen sie viele der umherfliegenden Eis- und Gesteinsbrocken auf sich und nahmen damit den beiden kleineren Planetenkernen das „Futter“ weg. Ihre Gashülle blieb daher klein.

Darüber hinaus aber könnte der Jupiter seine drei Kollegen so stark beeinflusst haben, dass sie ganz aus ihrer damaligen Bahn flogen und weiter nach außen wanderten. Seine Schwerkraft schubste sie quasi erst auf ihre heutigen Orbits – das zumindest deuten einige Modelle der Planetenentwicklung an. Gleichzeitig sorgte die Schwerkraft des Gasriesen dafür, dass auch zwischen ihm und dem Mars kein weiterer Planet entstehen konnte. Die dort kreisenden Gesteinsbrocken blieben unverbunden und bilden heute den Asteroidengürtel.

Sonnensystem ohne Jupiter

Der weitreichende Einfluss des Jupiter bleibt aber keineswegs auf die Vergangenheit beschränkt: Seine gewaltige Schwerkraft wirkt – so die bisher gängige Theorie – heute als „Schutzschild“ für die inneren Planeten und damit auch die Erde. Immerhin alle zehn bis 15 Jahre, so die Schätzungen der Astronomen, schlägt ein Objekt der Größe zwischen 500 Metern und einem Kilometer auf dem Gasriesen ein und fliegt damit nicht weiter in das innere Sonnensystem. Die letzten Treffer dieser Art umfassen neben dem spektakulären Schauspiel beim Impakt des Kometen Shoemaker-Levy 9 im Jahr 1994 auch einen Einschlag am 19. Juli 2009.

Einschlag eines Objekts auf dem Jupiter im Jahr 2009, aufgenommen mit einem Infrarotteleskop © UC Berkeley

Was aber, wenn Jupiter nicht existieren würde? Würde dann auch die Erde häufiger katastrophale Meteoriteneinschläge erleben? Genau dies untersuchten 2008 Wissenschaftler um Jonathan Horner von der Open University (OU) in Großbritannien in einem Computermodell der Flugbahnen von 100.000 zwischen Jupiter und Neptun kreisenden Objekten. Sie verglichen in mehreren Szenarien, wie sich diese Flugbahnen innerhalb von zehn Millionen Jahren entwickeln, wenn es einen Jupiter gibt, wenn er fehlt und wenn an seiner Stelle ein kleinerer Planet kreist.

Anzeige

Da ist gut, weg ist gut, kleiner ist schlecht

Das überraschende Ergebnis: Es ist völlig egal, ob der Jupiter da ist oder nicht. In beiden Szenarien geraten gleich viele Objekte auf Kollisionskurs mit der Erde. „Wenn sich an dieser Stelle gar nichts befindet, gibt es keinen Unterschied zur jetzigen Impaktrate“, erklärt Horner. Anders dagegen, wenn statt des Gasriesen ein kleinerer Planet an seiner Stelle säße: Dann würde die Anzahl der Einschläge auf der Erde deutlich steigen.

Denn gibt es keinen Planeten an dieser Stelle, bleiben die meisten Objekte des äußeren Sonnensystems auf ihren Bahnen und sind damit für die Erde keine Gefahr. Gibt es den Jupiter, zieht seine Schwerkraft einige der Objekte an und lenkt sie damit auf neue Bahnen in Richtung Erde. Dann aber schleudert er sie wieder weg und katapultiert sie dabei ganz aus dem Sonnensystem hinaus. Sitzt aber ein kleinerer Planet an seiner Stelle, reicht dessen Schwerkraft nicht aus, um diese „Abweichler“ vollends aus dem Sonnensystem zu stoßen. Sie bleiben daher auf ihrer erdbahnkreuzenden Flugbahn und erhöhen so das Einschlagsrisiko.

Der Jupiter wirkt demnach tatsächlich als „Bodyguard“ für die inneren Planeten im Sonnensystem – auch wenn ein Teil der von ihm abgewehrten Gefahr eigentlich erst durch seine Existenz entsteht. Klar scheint aber in jedem Falle, dass der geheimnisvolle Gasriese ein prägender Teil des Sonnensystems, ein Planet, ohne den unsere kosmische Nachbarschaft heute vermutlich völlig anders aussehen würde.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 01.07.2016

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Jupiter - Gasriese mit Geheimnissen
Besuch beim größten Planeten des Sonnensystems

„Mord“ mit Hochdruck
Die ersten Messungen aus der Jupiteratmosphäre

Das Rätsel des verlorenen Streifens
Erster Einblick in die Dynamik der Jupiteratmosphäre

Der „Rote Riese“
Blick in den größten Sturm des Sonnensystems

Wasserstoffmetall und Heliumregen
Abstieg in die Hölle des Jupiterinneren

„Beep-Beep“ aus dem All
Dem Magnetfeld des Jupiter auf der Spur

Entstehung ungeklärt
Warum Gasriesen wie der Jupiter eigentlich nicht existieren dürften

Januskopf Jupiter
Warum der Gasriese die Erde zugleich schützt und bedroht

Raumsonde Juno: Besuch beim Jupiter
Eckdaten und Ziele der Mission

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Radioblick unter die Wolken des Jupiter
Bisher genaueste Radiokarte zeigt Ammoniakbewegungen in der Atmosphäre des Gasriesen

Jupiters Wirbelstürme drehen anders
Computersimulation erklärt Bildung und Drehrichtung von Jupiters Sturmgiganten

Jupiter verändert sich
Roter Fleck schrumpft weiter, Filament und Welle geben Rätsel auf

Verdanken wir dem Jupiter unsere Existenz?
Wanderung des Gasriesen im frühen Sonnensystem machte die Erd-Entstehung erst möglich

Jupiter-Wanderung schuld an kleinem Mars?
Wanderung der Gasriesen könnte Marsgröße und Zusammensetzung des Asteroidengürtels erklären

Dossiers zum Thema