Anzeige
Biotechnologien

Fatale Folgen trotz Tierversuche

Auch etablierte Testmethoden zur Risikobewertung sind nicht unfehlbar

Arzneimittel: Gefährliche Nebenwirkungen sind auch nach Tierversuchen nicht auszuschließen © SXC

Eigentlich sollte es sie nicht geben, dennoch lassen sie sich nicht völlig ausschließen: Überraschende Wirkungen von Stoffen sind der Alptraum aller Toxikologen. So wollte die Pharmafirma TeGenero Anfang 2006 einen Wirkstoff gegen Multiple Sklerose, Arthritis und Blutkrebs entwickeln. Dabei kam es zum Super-GAU: Bei sechs gesunden Männern in London traten während der klinischen Tests Immunreaktionen mit zum Teil schweren Folgeschäden auf.

Obwohl die Firma ganz nach Vorschrift handelte, gab es anfangs keine Anzeichen für die späteren dramatischen Folgen, die weltweit für Schlagzeilen sorgten und eine ganze Branche verunsicherten. Vier Monate später musste die Firma Insolvenz anmelden. Für Experten ist dieser Fall aus der Zulassung von Medikamenten ein Beispiel dafür, dass die toxikologische Bewertung von Stoffen stets mit Unsicherheiten behaftet ist. Durch TeGenero wurde in Fachkreisen die Diskussion wieder angeheizt, wie zuverlässig diese Tests überhaupt sind.

Auch mit Tierversuchen keine 100 Prozent Sicherheit

Damit wird jedoch an einer Praxis gerüttelt, die sich im letzten halben Jahrhundert etabliert hat. In den 1960er Jahren hatte der Contergan-Skandal dazu geführt, dass umfangreiche Tests an Tieren vor der Zulassung von Medikamenten Pflicht wurden. Zum Beispiel das so genannte Mausmodell: Hier dienen Mäuse im Labor als Modell für andere Säugetiere. Ihnen werden stellvertretend für den Menschen Stoffe in verschiedener Dosis verabreicht. So soll sichergestellt werden, dass ein Stoff nicht giftig, krebserregend oder erbgutverändernd wirkt. Doch nach wie vor lassen sich die Risiken, die von Chemikalien oder Medikamenten ausgehen, nicht zu 100 Prozent einschätzen. Das betrifft sowohl die menschliche Gesundheit als auch die Auswirkungen auf die Umwelt.

Um die Methoden zur Stoffbewertung zu verbessern und damit solche Risiken zu minimieren, forscht eine Reihe von Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ im Rahmen des Forschungsschwerpunktes „Chemikalien in der Umwelt“. Einer davon ist Dr. Stefan Scholz. Sein Spezialgebiet sind Fische als Modellorganismen für Umweltgefährdungen durch Schadstoffe. „Bei Untersuchungen der Auswirkungen von Schadstoffen in Gewässern wird sehr häufig der Fischtest genutzt. Dieser Test wird in der Regel nur mit einer einzigen Fischart durchgeführt, auch wenn prinzipielle Unterschiede in der Empfindlichkeit zwischen verschiedenen Arten bestehen können“, erklärt Scholz.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. 6
  13. |
  14. 7
  15. |
  16. weiter

UFZ / Tilo Arnold
Stand: 04.02.2011

Anzeige
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Tierversuche: Alternativen gesucht
Hohe Hürden für den Ersatz von Tieren in Chemikalien- und Arzneimittel-Tests

Fatale Folgen trotz Tierversuche
Auch etablierte Testmethoden zur Risikobewertung sind nicht unfehlbar

Nur was lange währt, wird gut?
Warum es alternative Methode gegen etablierte Verfahren schwer haben

REACH: Tests für jede Chemikalie
Neue Chemikalienrichtlinie will mehr Transparenz schaffen

54 Millionen Tierversuche allein für REACH?
Theorie hinkt Praxis im REACH-System hinterher

Vorbild USA?
Computer statt Tierversuch

Eine Frage der Kosten?
Alternativen sind kurzfristig teuer, aber langfristig günstiger

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Neuronen-Netzwerk entlarvt Giftstoffe
Neue Screening-Methode könnte Tierversuche ersetzen

Bald weniger Tierversuche?
Studie: Systematische Variation von Umweltbedingungen führt zu aussagekräftigeren Ergebnissen

Stammzellen statt Tierversuche
Neues Verfahren des TÜV Rheinland untersucht Gefahrenstoffe

Dossiers zum Thema

Chimären - Künstliche Mensch-Tier-Mischwesen: Hybris oder Chance?