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Medizin

Käsebrötchen ohne Käse

Die Praktiken der Restaurants und Bäckereien

Lasagne mit echtem oder Kunstkäse? © Jon Sullivan (PDphoto.org) / gemeinfrei

Gesundheitsschädlich? Keineswegs. Geschmack? Gut, oder zumindest in Ordnung. Einsatz? Schon seit Jahren. Warum kam es 2009 dann trotzdem zu der großen Aufregung unter den Verbrauchern und dem enormen Medien-Rummel um die Käse-Imitate? Eine entscheidende Rolle spielten dabei – neben dem Gefühl übers Ohr gehauen worden zu sein – unsere Vorstellungen, wie bestimmte Lebensmittel beschaffen sein müssen. Auf eine Tiefkühlpizza, ein Baguette oder ein überbackenes Nudelgericht „gehört“ einfach echter Käse und nicht ein billiges, minderwertiges Imitat.

Käse-Imitate kaum zu erkennen

Hinzu kommt, dass der Kunstkäse in der Supermarkttheke nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Lediglich im Kleingedruckten der Verpackungen tauchen an Stelle von Käse Bezeichnungen wie „Lebensmittelzubereitung aus Magermilch und Pflanzenöl in Salzlake“ (Pseudo-Feta) oder „Lebensmittelzubereitung mit Pflanzenfett“ (geriebenes Käse-Imitat) auf. Doch das muss man erst „übersetzen“ können.

Mitschuld an diesem Dilemma sind die EU-Vorgaben für Lebensmittel. Danach ist die Bezeichnung „Käse“ ausschließlich für Milcherzeugnisse vorbehalten. Soweit so gut. Bei Produkten bei denen das Milchfett gegen pflanzliche Fette und/oder pflanzliches Eiweiß ausgetauscht wird, darf der Name „Käse“ jedoch nicht auftauchen. Ein für Verbraucher hilfreicher Stempel wie „Käse-Imitat“ oder „Analog-Käse“ ist deshalb unmöglich – und wäre sogar strafbar.

Viel Kunstkäse, wenig echter

Um nicht auf Mogel-Käse reinzufallen, gibt es deshalb nach Angaben von Verbraucherschützern eine einfache Faustregel: „Finger weg“ von allem, was aussieht wie Käse, wo aber nirgendwo Käse draufsteht. Doch völlig auf der sicheren Seite ist man als Konsument auch dann nicht. Denn um beispielsweise den Slogan „mit Käse zubereitet“ verwenden zu dürfen, reicht es aus, den Kunstkäse mit kleinen Mengen an echtem Käse zu mischen – eine Praxis, die in Deutschland viel häufiger vorkommt als man vielleicht denken könnte.

Pizza mit Käse-Imitat © Shoebill2 / gemeinfrei

Jede fünfte Probe beanstandet

Während in den Regalen der Lebensmittelläden zumindest formell meist alles korrekt ist, sieht es in Restaurants, Imbissstuben aber auch in Bäckereien ganz anders aus. Auf vielen Speisekarten und Inhaltsangaben fehlt(en) dort die nötigen Hinweise auf die Kunstkäse-Verwendung oder es stand dort sogar fälschlicherweise „mit Käse überbacken“, auch wenn keiner drin war.

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Wie verbreitet diese Praxis ist, hat eine Studie des Hessischen Landeslabors (LHL) gezeigt. So mussten die Lebensmittelkontrolleure von 2007 bis heute knapp jede fünfte Probe beanstanden, weil der Verbraucher mit Kunstkäse getäuscht und in die Irre geführt wurde. Besonders dramatisch sind die Zahlen etwa beim Börek, einem Strudel aus Blätterteig. Von 19 untersuchten Proben wurden elf vom LHL bemängelt. Und auch bei „Käsebrötchen“ oder „Käsestangen“ waren 18 von 92 Proben mit Schummel-Käse hergestellt und falsch ausgezeichnet. Ein klarer Verstoß gegen die EU-Vorgaben.

Erste Erfolge

Aufgrund solcher Enthüllungen und vieler Aufklärungsaktionen von Verbraucherschützern hat sich die Situation in Sachen Analogkäse mittlerweile ein wenig entspannt. Einige der Mogelprodukte sind aus dem Handel verschwunden, andere liegen jetzt mit neuer Rezeptur und insbesondere echtem Käse im Supermarktregal.

Beim Bäcker oder in der Pizzeria um die Ecke dagegen könnte sich die Frage „Käse oder Imitat?“ noch immer lohnen…

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Dieter Lohmann
Stand: 26.11.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Lebensmittel-Lügen
Wie Konsumenten ausgetrickst werden

Analog-Käse aus der Retorte
Ein Lebensmittelskandal erschüttert Deutschland

Käsebrötchen ohne Käse
Die Praktiken der Restaurants und Bäckereien

Mogel-Schinken und Fleisch-Puzzle
Schummeleien auch bei Fleischprodukten

Illusion Frischfleisch
„Unter Schutzatmosphäre verpackt“

Die Milch macht’s – oder doch nicht?
ESL-Milch und „gesunde“ Zuckerbomben

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Noch mehr Kuriositäten aus dem Supermarktregal

Heiße Luft bei „sauberen Etiketten“
Was „Clean Label“ versprechen und halten

Lebensmittel im Zwielicht
Ein Fazit

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