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Technik

Schwimmende Zigarren

Form und Grundprinzip der ersten U-Boote

Jules Vernes Nautilus ist zwar bis heute die bekannteste, aber bei weitem nicht die erste ihrer Art: 1869, als der erste Band von „20.00 Meilen unter dem Meer“ erschien, waren die Unterseeboote längst erfunden. Mindestens 25 einsatzfähige U-Boote hatten zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreiche Tauchfahrten absolviert, die meisten von ihnen unter großer Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Für Jules Verne gab es daher reichlich Möglichkeiten, sich Inspirationen für seine Nautilus zu holen – was er auch tat.

Moderner Nachbau von Fultons Nautilus © gemeinfrei

Der Namensgeber – die echte Nautilus

Juli 1800, im Hafen von Le Havre in Frankreich. Am Kai hat sich eine große Menschenmenge versammelt, alle starren gebannt auf das Hafenbecken hinaus. Dort ist allerdings auf den ersten Blick nichts zu sehen, nur ein paar Luftblasen treiben im trüben Wasser. Doch dann plötzlich beginnt es zu brodeln, ein gewaltiges kupfernes Ungetüm taucht aus den Tiefen des Beckens auf: die Nautilus.

Das vom amerikanischen Ingenieur Robert Fulton konstruierte, sechs Meter lange zylindrische Unterseeboot hat soeben seinen ersten Tauchgang in mehr als sieben Meter Tiefe erfolgreich absolviert. Fulton löst mit seinem Fahrzeug drei der wichtigsten Grundvoraussetzungen für ein Tauchboot: die Widerstandsfähigkeit der Hülle gegenüber dem hohen Wasserdruck, eine Möglichkeit, den Auf- und Abtrieb des Schiffes gezielt zu regulieren und schließlich der Vortrieb, die Vorwärtsbewegung unter Wasser.

Im Falle von Fultons Nautilus sorgt eine Hülle aus Kupferplatten für die Stabilität. Ein hohler eiserner Kiel dient dem Schiff als Ballasttank beim Tauchen und ein per Handkurbel betriebener Propeller als Antrieb. Luft erhält die dreiköpfige Besatzung über einen wasserdichten Lederschnorchel, bei längeren Tauchfahrten auch mit Hilfe einer kupfernen Pressluftflasche. Insgesamt viereinhalb Stunden kann die Nautilus damit immerhin unter Wasser bleiben. Das neuartige Schiff macht Eindruck – auch auf Jules Verne, der sein fiktives U-Boot zu Ehren von Fultons Entwicklung ebenfalls Nautilus tauft.

Zeitgenössische Radierung von Ross Winans erstem "Cigar Ship". Deutlich ist die spindelförmige Rumpfform zu erkennen. © historisch

„Cigar Ships“ als Vorbild für den Rumpf

Für die Form seiner Nautilus macht Verne allerdings keine Anleihen bei den Unterseebooten seiner Zeit, die meist eher plump zylindrisch waren, sondern beim neuesten Schrei in Sachen Dampfschiffkonstruktion: den „Cigar Ships“ von Ross Winans und seinen Söhnen. Der wohlhabende Eisenbahningenieur aus Baltimore entwickelt ab 1858 mehrere Schiffe, deren Rumpf einer an beiden Enden spitz zulaufenden Spindel ähnelt und damit extrem stromlinienförmig ist.

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Sehr ähnlich lässt Verne auch seinen Kapitän Nemo die Form der Nautilus beschreiben: „Das Boot, worauf wir uns befinden, Herr Arronax, ist ein langer Zylinder mit zugespitzten Enden. Seine Länge beträgt genau 70, seine größte Breite 8 Meter; also letztere nicht völlig im Verhältnis von 1 zu 10, wie die schnellsegelnden Dampfer gewöhnlich gebaut sind, und die Länge ist hinreichend zugespitzt, damit das verdrängte Wasser leicht sich scheidet und dem Lauf nicht hinderlich ist.“ Auch die Verdrängung und das Volumen seines Schiffs beziffert Nemo ausdrücklich.

Mit ihrer extrem schmalen, schlanken Form nimmt Vernes Nautilus die Rumpfformen vorweg, die erst Jahrzehnte später in den Atom-U-Booten der Neuzeit realisiert werden. Die 1954 in der Disney-Verfilmung des Romans eingesetzte Nachbildung der Nautilus hat dagegen nichts mit Vernes Vorstellungen und Plänen gemeinsam. Sie entspringt vollends der Fantasie der auf einen möglichst historisierenden Effekt bedachten Setdesigner des Filmstudios.

Der französische U-Boot-Pionier Gustave Zédé war mit Jules Verne befreundet © historisch

Ein Minimodell mit „Insider-Hilfe“

Und noch eine entscheidende Entwicklung, die Tiefenruder, verleiht er seiner Nautilus, bevor sie der breiten Öffentlichkeit bekannt werden. Sie dienen dazu, die Lage des Boots im Wasser zu stabilisieren und beim Tauchvorgang für zusätzlichen Abtrieb zu sorgen. Dass auch dieses Merkmal der Nautilus auf „Insiderwissen“ beruht, ist erst seit 1993 bekannt.

In dem Jahr entdeckten Forscher ein Modell, das Jules Verne 1868, kurz vor der Veröffentlichung seines Romans, gemeinsam mit dem U-Boot-Pionier Gustave Zédé gebaut haben soll. Letzterer tüftelte zu dieser Zeit gerade an den Plänen für die „Gymnote“, einem knapp 18 Meter langen Unterseeboot, das ebenfalls bereits Tiefenruder aufwies. Das nur 15 Zentimeter große Minimodell der Nautilus entspricht in allen Details den Beschreibungen des Schiffs in Vernes Buch – und ist gleichzeitig ein technisch vollgültiges Modell eines funktionsfähigen U-Boots.

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Nadja Podbregar
Stand: 08.10.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Jules Vernes „Nautilus“
Ein Unterseeboot zwischen Fakten und Fiktion

20.000 Meilen unter dem Meer
Die Nautilus und ihre Geschichte

Wie visionär war Jules Verne?
Zwischen „Imagination“ und Wirklichkeit

Schwimmende Zigarren
Form und Grundprinzip der ersten U-Boote

Vom Bunsenelement zur Brennstoffzelle
Der Weg zum Elektro-Antrieb

Eine „Blaupause“ für die Nautilus
Gymnote - das erste moderne U-Boot der Welt

Entdeckung vor San Telmo
Kopierte Verne das Schleusenprinzip von der Explorer?

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