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Klima

Tiefe Wolken regnen leichter

Regen kehrt Auf- und Abwärtsströmungen um

Zunächst bilden marine Stratocumuluswolken ein Muster aus weißen Zellen, an deren Rändern das Meer durchscheint. Regnen sie ab, kehrt sich das Muster um. © MPI für Meteorologie

Auch wenn das Entrainment die Stratocumuli nicht schlagartig vom Himmel fegt, zeigen Satellitenaufnahmen dennoch, dass die Wolken spontan verschwinden können. Das Phänomen ist erstaunlich: Die Wolken bilden von oben gesehen eine körnige Fläche, die an einen mehrzelligen Organismus erinnert. Die weißen Zellen − die Wolken, die in einer Richtung fünf bis 50 Kilometer messen können − werden von dunklen Rändern eingefasst, an denen der darunter liegende Ozean hindurchscheint.

An einigen Stellen, mitten im Wolkenteppich, zeigt sich ein umgekehrtes Muster: Die Zellen erscheinen dunkel mit weißen Rändern. Dort haben sich die Wolken im Inneren der Zellen verflüchtigt, und stattdessen bildeten sich welche an den zuvor wolkenfreien Zellrändern – so als betrachte man das Negativ einer Fotografie des ursprünglichen Musters. Messungen von der Flugzeugmission von Bjorn Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie zeigten, dass die sonst nicht zu starkem Regen neigenden Stratocumuli beim Übergang zu diesem Negativmuster geregnet haben.

Wolkenschicht mit Ausstülpungen

Warum sie das tun, erklärt Stevens wie folgt: Die insgesamt relativ glatte Unterseite der Wolkenschicht weist einige Ausstülpungen auf. Das heißt, manche der Zellen reichen näher an die Ozeanoberfläche heran, Experten nennen sie daher tiefer als die Nachbarwolken. Tiefe Wolken regnen leichter. Das hängt mit dem Prozess zusammen, in dem Regen entsteht: Er beruht darauf, dass kleine Tropfen langsamer fallen als größere, weil sie bezogen auf ihre Masse mehr Luftreibung erfahren.

Regenschauer in einer Meeresbucht © Mila Zinkova / GFDL

Lawineneffekt in der Wolke

Wenn nun ein etwas größeres Tröpfchen durch die Wolke fällt, holt es kleinere Tröpfchen unter sich ein und stößt mit ihnen zusammen. Mit manchen dieser Tröpfchen verschmilzt es, wird größer und fällt noch schneller. Eine Art Lawineneffekt tritt ein, und das Tröpfchen wächst um das Millionenfache seiner Ursprungsgröße. Irgendwann schwillt es so stark an und fällt so schnell, dass es ohne wieder zu verdampfen als Regentropfen die Ozeanoberfläche erreicht. In tiefen Wolken geht das besonders leicht, weil sie den Tröpfchen eine relativ große Fallhöhe bieten und sich die Tröpfchen hier auf ihrem Weg abwärts mehr andere Tröpfchen einverleiben können.

Der Regen aus den tiefen Wolken bleibt nicht ohne Folgen: Computersimulationen, die Stevens mit seiner damaligen Doktorandin Verica Savic-Jovcic vorgenommen hat, zeigten, dass sich dort, wo es geregnet hat, auch die Zirkulation der feuchten Luft zwischen Ozean und Wolkenschicht radikal verändert: Vor dem Regen gab es eine starke Aufwärtsströmung in der Mitte der Zelle und schwache Abwärtsströme an ihren Rändern. Danach kehrte sich das um: eine starke Abwärtsströmung in der Mitte und schwache Aufwärtsströme an den Rändern.

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Umkehrung der Strömungen

Diese Umkehrung der Strömungen bewirkt, dass sich das ursprüngliche Muster des Wolkenteppichs in sein Negativ verkehrt. Denn Wolken entstehen stets dort, wo warme feuchte Luft nach oben steigt. Der Prozess verdeutlicht, wie verschmelzende Wassertröpfchen, die das bloße Auge nicht erkennen kann, im Endeffekt kilometergroße Luftwalzen umkehren können.

Stratocumulus © Simon Eugster / GFDL

Wolkenforschung verbessert Klimamodelle

Nachdem Stevens und seine Kollegen die Stratocumuli besser verstanden haben, tun sie nun den nächsten Schritt. „Wir bauen die Ergebnisse derzeit in die weltumspannenden Klimamodelle ein“, sagt Stevens. Solche Computermodelle zerteilen die Atmosphäre in ein Gitter aus Rechtecken, deren Länge und Breite mehrere hundert Kilometer beträgt und die rund einen Kilometer hoch reichen. Für jedes dieser Volumenraster berechnet der Computer Durchschnittswerte der Temperatur, der Feuchtigkeit und der anderen Eigenschaften der Lufthülle.

Weil Wolken durch dieses Raster fallen, versagen die Klimamodelle darin, sie zu simulieren. Kleinere Raster können die Forscher nicht verwenden, weil das die Rechenzeit ins Unermessliche steigern würde. Doch wenn Forscher die physikalischen Vorgänge in den einzelnen Wolkentypen verstanden haben, können sie sich behelfen. Zwar können sie auch dann nicht berechnen, an welchen Stellen genau in dem Raster sich die einzelnen Wolken bilden.

Statistik der Wolkenverteilung

„Aber auf Basis der Durchschnittswerte von Größen wie Temperatur und Luftfeuchte, die das Computermodell errechnet, lässt sich dann die Statistik der Wolkenverteilung berechnen“, sagt Stevens. Dann lässt sich also sagen, wie viel Prozent des Rastervolumens von Wolken ausgefüllt wird und von welchen Wolkentypen. Dies wiederum macht es möglich, den Einfluss der Wolken auf die Wärme- und Sonnenstrahlung zu quantifizieren.

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Christian Meier / MaxPlanckForschung
Stand: 20.08.2010

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