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Phänomene

Hunde als „Menschenversteher“?

Unerwartete Champions im Objektwahltest

Nach diesen Experimenten schien es so, als sei das Deuten kommunikativer Hinweise eine rein menschliche Gabe. Denn wenn schon die ontogenetisch nächste Verwandtschaft des Menschen keine Zeigegesten verstehen kann, wer dann? Die Antwort kam von unverhoffter Seite: „Mein Hund kann das aber“, behauptete der damalige Doktorand Brian Hare.

Zwei Becher, ein Keks, keine Geruchsspur. Auch ohne ihre Nase einzusetzen, fanden Hunde aller Rassen sofort heraus, wo die Belohnung versteckt war. Anders als die Menschenaffen verstehen sie Fingerzeige sofort. © MPI für evolutionäre Anthropologie

Mit dieser eher beiläufig dahingeworfenen Bemerkung handelte sich Hare gleich den Auftrag zu einer eigenen Studie ein. Tatsächlich stellte sich bald heraus, dass sein Hund offenbar nicht das einzige Kommunikationsgenie unter den Caniden war, das menschliche Fingerzeige zu deuten weiß. Wie zuvor im Affenhaus kam dabei der „Object-Choice-Test“ zum Einsatz. Dabei wurden die Hunde mit zwei identischen umgedrehten Bechern konfrontiert, wobei nur unter einem davon ein Leckerli lag. Unter welchem, konnte der Hund nicht wissen, weil er das Verstecken nicht gesehen hatte.

Fingerzeig als Futtertipp

Dann zeigte sein menschlicher Testpartner auf den Becher mit dem interessanten Inhalt. Danach durfte der Hund wählen – die Tiere taten dies, indem sie mit der Schnauze oder Pfote den Becher ihrer Wahl berührten. War’s der Richtige, gab es die Belohnung, beim falschen Becher ging der Hund leer aus. Um sicherzugehen, dass sich die Hunde nicht von ihrer feinen Nase leiten ließen, gab es in einem Kontrollversuch überhaupt keine referentiellen Hinweise auf den richtigen Becher. „Wählte das Tier dabei mal richtig und mal falsch, war klar, dass es das Futter nicht riechen konnte“, erklärt Juliane Bräuer die Probe aufs Exempel.

Schon bei diesem Test zeigte sich, dass Brian Hare mit seiner Behauptung nicht zu viel versprochen hatte: Die Hunde entschieden sich bevorzugt für den Becher, auf den zuvor der Mensch gezeigt hatte – die stille Botschaft war offenbar angekommen. „Im Jahr 1998 erschien dann Hares Veröffentlichung über Hundekognition“, erzählt die 33-jährige Biologin Bräuer. Sie selbst ist seit 1999 am Max-Planck-Institut und schrieb dort 2002 ihre Diplomarbeit. Zur selben Zeit widmete sich damals in Budapest ebenfalls eine Gruppe von Forschern der Frage, welche menschlichen Hinweise Hunde nutzen können.

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Birgit Fenzel / MaxPlanckForschung
Stand: 30.07.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der Hund denkt mit
Tiere knacken ein vermeintlich menschliches Privileg

„Ich spüre, was du meinst“
Der Theory of Mind auf der Spur

Hunde als „Menschenversteher“?
Unerwartete Champions im Objektwahltest

Auf den Hund gekommen
Vom Mängelexemplar zum Klassenprimus

Wegschauen macht Diebe
Bravsein ist immer eine Frage des Blickwinkels

„Ich sehe was, was du auch siehst“
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