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Energie

In der Tiefe

Versuche zur Abdichtung am Bohrloch

Das Bohrloch in 1.500 Metern Tiefe liegt weit außerhalb der Reichweite menschlicher Taucher, eine Möglichkeit, direkt vor Ort Reparaturen oder Abdichtungsarbeiten durchzuführen, besteht nicht. Die einzige Möglichkeit ist der Einsatz unbemannter ferngesteuerter Tauchfahrzeuge. Wenige Tage nach Sinken der Deepwater Horizon schickt BP Tauchroboter in die Tiefe, um die Lage zu sondieren und nach Möglichkeiten zu suchen, den Ölaustritt abzudichten. Es zeigt sich, dass gleich an drei Stellen Öl freigesetzt wird. Versuche, diese Lecks zu schließen, scheitern. Nur das dritte, kleinste der Löcher kann versiegelt werden.

26. April 2010: Der Auffangkasten wird zusammengeschweißt © U.S. Coast Guard / Patrick Kelley

Auffangglocken als Ölabsauger

Als nächste Maßnahme lässt BP einen riesigen Stahlkasten mit oben angebrachter Leitung zusammenschweißen. Er soll über die Ölaustrittstelle gestülpt werden und wie eine große Glocke das Öl auffangen und über die Leitung zur Meeresoberflächen hin abpumpen. Die Technologie wurde bei kleineren Lecks bereits eingesetzt, jedoch nie in so großer Tiefe. Die fast hundert Tonnen schwere Auffangglocke ist zudem die größte jemals hergestellte.

Am 11. Mai wird die Glocke per Schiff zur schwimmenden Bohrinsel Q4000 geschleppt, die über der Unglücksstelle positioniert ist und dort in die Tiefe herabgelassen. Doch der weltweit hoffnungsvoll erwartete und verfolgte Versuch schlägt fehl: Die Ableitung verstopft, weil sich im kalten Wasser und unter dem hohen Druck in der Tiefe Methanhydrat aus Wasser, Erdöl und Erdgas bildet. Die Kristalle der bei diesen Bedingungen gefrorenen Verbindung setzen Ventile und Leitungen zu. Auch ein zweiter Versuch mit einer kleineren Glocke schlägt kurz darauf fehl.

11. Mai 2010: Absenken des Auffangkastens ("Top Hat") über der Leckstelle durch das Schiff "Viking Poseidon" © U.S. Coast Guard / Patrick Kelley

Falsche Technik?

Erdölgeologe Dominik sieht in der „Glockentechnik“ durchaus eine Chance, würde sie aber mit anderer Technik umsetzen: „Ich habe am 9. Mai bei der BP in Houston zwei Vorschläge zum Verschließen der Bohrung eingereicht: zum einen den Bau einer Kuppel über dem Bohrloch am Meeresboden, um das ausströmende Öl und Gas zusammen mit dem Wasser durch eine Multiphasenpumpe zu evakuieren; zum anderen die gleichzeitige Ausstattung auch der Entlastungsbohrungen, die voraussichtlich im August die Lagerstätte erreicht haben, mit groß dimensionierten Multiphasenpumpen. Das würde einen beschleunigten Druckabfall im Drainagebereich der havarierten Bohrung erzielen. So könnte die Bohrung unter Kontrolle gebracht und verschlossen werden“, berichtet Dominik.

Mit diesem Verfahren, dem Einsatz von Multiphasenpumpen am Meeresboden, produziert BP heute bereits erfolgreich 78.000 Barrel Öl am Tag aus dem „King Field“ im Mississippi Canyon. Die in nur rund 40 Kilometer Entfernung von der Havarie liegende Förderplattform holt das Öl aus einer Wassertiefe von 1.800 Metern. Der Versuch von BP, das Loch mit einem großen Zylinder zu verschließen, beruhe dagegen noch auf einem konventionellen Bolzenverschluss-Verfahren und könne keine Dauerlösung sein, so der Forscher weiter. Das von Dominik vorgeschlagene System arbeitet nach einem anderen Prinzip. Es würde eine Fläche von etwa zehn mal zehn Metern Meeresboden mit umschließen, um auch etwaige neben dem eigentlichen Bohrloch austretende Flüssigkeiten mit aufzunehmen.

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Aufsetzen der ersten Kappe auf den Bow-Out-Preventer nach der DUrchtrennung der kaputten Steigleitung © BP

Ein Trichter für den BOP

Doch statt dieser großräumigen Taktik konzentriert sich BP weiter auf die Hauptquelle des austretenden Öls: das gebogene und geborstene Steigrohr, das oben aus dem Blow-Out-Preventer herauskommt. Nach nicht sehr erfolgreichen Versuchen, das Öl am Ende des Rohrs über eine dünnere, eingeschobene Leitung teilweise abzusaugen, entschließen sich die Verantwortlichen, das kaputte Rohr kurzerhand zu kappen.

Anfang Mai sägt ein Tauchroboter das Rohr mit einer Diamantsäge direkt an seinem Austritt aus dem Blow-out-Preventer ab. Über die Schnittstelle und den oberen Teil des Preventers, die so genannte „Lower Marine Riser Package (LMRP)“ bugsieren die Bohrgreifer des Bohrschiffs „Enterprise“ eine Stahlkappe, die das austretende Öl auffangen und ableiten soll. Um die Bildung von Methanhydrat zu verhindern, wird der Trichter kontinuierlich von Stickstoff und Methanol durchströmt. Tatsächlich gelingt dieser Versuch zumindest teilweise. Zwar strömt weiterhin ein großer Teil des Öls unter der nur lose aufsitzenden „Lower Marine Riser Package (LMRP) Cap“ heraus, ein geringer Anteil kann jedoch nach oben zum Bohrschiff „Discoverer Enterprise“ abgeleitet werden.

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Nadja Podbregar
Stand: 16.07.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Der große Blow-Out
Ölflut im Golf von Mexiko

Die Vorgeschichte
Warum Lage und Technik die Bohrung so riskant machten

Der „Blow-Out“
Wie es zur Katastrophe kam

Barrieren, Chemie und Feuer gegen das Öl
Der Kampf gegen die Ölpest über Wasser

In der Tiefe
Versuche zur Abdichtung am Bohrloch

Operation „Top Kill“
Pfropf aus Schlamm

Ein erster Erfolg
Operation Ersatzkappe stoppt erstmals den Ölfluss

Letzte Hoffnung „Bottom Kill“
Entlastungsbohrungen sollen Ölfluss unterirdisch stoppen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

BP-Ölleck: Operation „Static Kill“ beginnt
Beginn der Arbeiten für den endgültigen Verschluss des Bohrlochs

Ölpest: Sturm stoppt Arbeiten
Bohrplattform geräumt, Entlastungsbohrungen verzögern sich

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WWF: Ölplattformen unkalkulierbares Risiko für Mensch und Meer

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