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Zoologie

Fatale Orientierungschwächen

Gemeinnütziger Selbstmord von der Selektion begünstigt?

Bienen besitzen einen natürlichen Abwehrmechanismus gegen die Varroamilbe: Kranke Sammlerinnen kehren nicht mehr in den Stock zurück. Nach Ansicht der Bienenforscher um Bernd Grünwald geht dieses Verhalten möglicherweise auf einen bereits zuvor bestehenden allgemeinen Abwehrmechanismus zurück, der auch bei anderen Krankheiten wirksam wird.

Um diese Vermutung zu überprüfen, untersuchten die Wissenschaftler das Verhalten von Bienen, die an der Darmerkrankung Nosemose leiden. Die Nosemose wird durch den einzelligen Darmparasiten Nosema ceranae hervorgerufen. Er verursacht bei hohem Befall eine durchfall ähnliche Erkrankung.

Befall schwächt Orientierungsfähigkeit

Zunächst fingen die Forscher auch hier wieder Bienen am Flugloch ab und untersuchten sie. Wieder fanden sie- ganz ähnlich wie beim Varroa-Befall – etwa ein Viertel weniger befallene Sammlerinnen unter den Rückkehrern. In der Folge wiederholten Grünwald und Co. auch die Auflassexperimente, diesmal mit den von Nosema befallenen Bienen. Wiederum kehrten die kranken Bienen im Vergleich zu den gesunden später zurück und schnitten im Orientierungstest schlechter ab.

Aber warum? Sind die Bienen einfach nur geschwächt? Oder ist ihr Verhalten vielmehr auf eine spezifische Beeinträchtigung der kognitiven Leistung zurückzuführen? Für die letztgenannte Annahme spricht ein Versuch, in dem die Forscher das Nest mit einem falschen, aber gleich aussehenden zweiten Eingang versahen. Den befallenen Bienen unterliefen deutlich mehr Irrtümer, bevor sie den richtigen Eingang fanden. Da die Flugstrecke nur kurz war, ist dieses Verhalten weniger auf körperliche Schwäche als auf eine beeinträchtigte Rückorientierung zurückzuführen.

Nach Ansicht der Bienenforscher könnte dieses adaptive suizidale Verhalten während der Evolution durch die natürliche Selektion begünstigt worden sein, weil es die Überlebenschancen des Bienenvolks erhöht. Selbst wenn das Volk dadurch einige tausend Arbeiterinnen verliert, entgeht es dem ansonsten sicheren Tod.

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Forschung Frankfurt / Bernd Grünewald, Christof Schneider und Stefan Fuchs
Stand: 05.02.2010

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Honigbienen: Superhirn im Überlebenskampf
Wie Parasiten, Krankheit und Gift die Fähigkeiten der sozialen Insekten beeinträchtigen

Soziale Vorbilder mit Supergehirn
960.000 Nervenzellen auf einem Kubikmillimeter

Rüsselreflex und Duftgene
Bienen als Meister der Düfte

Im Kampf gegen den Parasiten
Tödliche Gefahr Varroamilbe

Opfern für die Kolonie
Kranke Sammlerinnen kehren nicht zurück

Fatale Orientierungschwächen
Gemeinnütziger Selbstmord von der Selektion begünstigt?

Ein Chip als Rucksack
Individuelles Flugverhalten als Indiz für Pestizidwirkung

Das geht auf die Nerven…
Wie Krankheitserreger und Insektizide die neuronalen Prozesse der Bienen beeinträchtigen

Neue Hoffnung für die Bienen
Weitere Erforschung der Bienenneurologie

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