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Geologie/physische Geographie

Die leise Revolution in der Theorie der Tektonik

Was hat sich bis heute getan?

Als die Plattentektonik sich etablierte, brachte sie einen entscheidenden Wandel für die gesamten Geowissenschaften und für ihre Sicht auf unseren Planeten mit sich. Von Vielen wird sie daher heute in eine Reihe gestellt mit anderen revolutionären Umbrüchen wie der Evolutionstheorie Charles Darwins und der Relativitätstheorie Albert Einsteins.

Doch inzwischen ist die klassische Auffassung der Tektonik als quasi mechanischer Prozess von der Bewegung und Kollision starrer Platten bereits wieder in Auflösung begriffen. „Neuere Erkenntnisse zeigen die Plattentektonik als ein sich selbst regulierendes System von Wechselwirkungen, in dem alle Subsysteme des Planeten Erde mitwirken“, erklärt Onno Oncken, Direktor des Departments „Geodynamik“ am GeoForschungszentrum Potsdam. „Es handelt sich nicht um ein mechanisches System, sondern um komplexe, rückgekoppelte Prozesse.“

Blick auf die Küste Südkaliforniens bei Los Angeles © gemeinfrei

Klima bestimmt Gebirgsform

Beispiel Klima: dass Hochgebirge einen entscheidenden Einfluss auf das Klima haben, ist verständlich. Aber dass das Klima seinerseits die Tektonik steuert, ist eine neue Erkenntnis: Die Anden beispielsweise entstehen durch die Kollision der Nazca-Platte mit Südamerika. Das feuchte Klima der Süd-Anden führt zum Abtragen von Gebirgsmaterial, das als Sediment im Pazifik landet. Die von Westen herankommende Nazca-Platte lagert dieses Gestein an der südamerikanischen Kruste an.

Das aride Klima der Nord- und Zentral-Anden hingegen lässt kein Sediment entstehen, daher raspelt die Nazca-Platte hier die kontinentale Kruste ab. Die dabei stark erhöhte Reibung überträgt ihrerseits eine Kraft, die das Andenplateau in die Höhe und Breite wachsen lässt. Das wiederum verstärkt den Regenschatten an der Westseite der Anden und verringert die Erosion zusätzlich. Auch die klassische Vorstellung eines Faltengebirges als Resultat eines Zusammenstoßes musste in die Revision: „Die Anden beispielsweise, in ihrer heutigen Form, existieren erst seit rund 45 Millionen Jahren, das Abtauchen der Nazca-Platte unter Südamerika dauert aber schon seit dem Paläozoikum an, also Hunderte von Millionen Jahren länger“, sagt Oncken.

Schematische Darstellung der Lithosphären-Asthenosphären-Grenze unter den Hawaii-Inseln. Sie zeigt die fortschreitende Ausdünnung der Lithosphäre mit zunehmendem Alter der Insel durch das thermische Einwirken des Plumes. © gemeinfrei

Hitzestau und Schweißbrenner

Ebenso ist das Wechselspiel zwischen den aufsteigenden heißen Gesteinsmassen und der Erdkruste viel komplexer als ursprünglich angenommen. Steigt eine heiße Gesteinsblase auf, so wirkt die schlecht wärmeleitende Lithosphäre als Grenzschicht zur Oberfläche wie eine Wärmedecke, wodurch wiederum die Temperatur unterhalb weiter ansteigt. Dieser Hitzestau kann schließlich wie ein Schweißbrenner ganze Kontinente bis zur Auflösung durchweichen, etwa vor 140 bis 130 Millionen Jahren, als Gondwana zuerst im Osten, dann im Westen auseinanderbrach.

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„Wegeners Ansatz war der Startpunkt, die Plattentektonik des vorigen Jahrhunderts die Revolution in den geowissenschaftlichen Auffassungen. Heute sehen wir eine ebenso gründliche, leise Revolution in der Theorie der Plattentektonik, weil wir unseren Planeten zunehmend als ein Gesamtsystem verstehen“, konstatiert Oncken.

Nadja Podbregar
Stand: 06.01.2012

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Plattentektonik
Alfred Wegener und der Weg zu einem neuen Bild der Erde

Auf der Suche nach einer "Theorie der Erde"
Descartes und die Anfänge eines geologischen Weltbildes

Feuer oder Wasser?
Streit um die "Hauptrolle" bei den geologischen Veränderungen

Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen
Wie entstehen Gebirge?

Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte
Das Rätsel der Gebirgswurzeln

Jede Menge ungelöster Rätsel...
Die Situation zur Zeit Wegeners

Die "Bombe" platzt
Wegener präsentiert seine Theorie

Auf tönernen Füßen....
Ablehnung und Kritik

Die Konvektion kommt ins Spiel
Wegener erhält Unterstützung

"Und sie bewegen sich doch..."
Der späte Sieg der Plattentektonik

Wechselwirkungen aller Art
Was passiert an den Plattengrenzen?

Die leise Revolution in der Theorie der Tektonik
Was hat sich bis heute getan?

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