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Geologie/physische Geographie

Auf tönernen Füßen….

Ablehnung und Kritik

Doch was war der Grund für diesen fast einhelligen und heftigen Widerstand gegen Wegener und seine Theorie? Immerhin konnte er damit nicht nur die erstaunlichen biogeographischen Übereinstimmungen zwischen den Kontinenten erklären, sondern bot sogar eine dringend benötigte Erklärung für die Entstehung von Gebirgen im Inneren von Erdteilen wie dem Ural oder dem Himalaya an.

Wegener postulierte, dass der Ural Rest einer lange zurückliegenden Kontinentkollision war, der tektonisch aktive Himalaya dagegen das Ergebnis eines verhältnismäßig jungen Zusammenstoßes. Heute ist dies eine selbstverständliche und eingängige Vorstellung, zu Wegeners Zeit aber sorgte sie für einen Eklat.

Falschfarbenaufnahem des Atlantiks und der angrenzenden Landmassen
Wegener war nicht der erste, dem die erstaunlich gute Passform der Küsten von Südamerika und Afrika auffiel. © NOAA

Theorie ohne plausiblen Mechanismus

Dieser Proteststurm und Widerstand war um so erstaunlicher, als dass die Idee von sich bewegenden Kontinenten ja keineswegs neu war: Schon 1596 hatte der holländische Kartograph Abraham Ortelius angedeutet, dass Amerika durch „Erdbeben und Fluten“ von Europa und Afrika fortgerissen worden sei und fuhr fort: „Die Spuren dieser Risse enthüllen sich, wenn man eine Weltkarte betrachtet und die Küsten der drei Kontinente miteinander vergleicht.“

Was war also an Wegeners Theorie so skandalös? Ein Problem Wegeners war, dass seine Theorie zwar eine plausible Erklärung für eine ganze Reihe von Phänomenen der Erdgeschichte bot, sie aber andererseits auf tönernen Füßen stand: „Wegener konnte damals keine Kräfte oder Mechanismen benennen, die hinreichend gewesen wären, um die Verschiebung der Kontinente zu bewerkstelligen“, erklärt der Wissenschaftshistoriker Reinhard Krause vom Alfred-Wegener-Institut. Wegener selbst war dieser Mangel durchaus bewusst, trotzdem zweifelte er nicht an der grundsätzlichen Richtigkeit seiner Thesen.

Wattlandschaft mit Priel bei Ebbe
Watt bei Ebbe © Grünes Oval

Gezeitenkraft als Motor der Plattenbewegung?

Wegener ging davon aus, dass die leichteren Kontinente auf einer Schicht aus dichterem Material schwammen und sich durch dieses „hindurchpflügen“ konnten wie Eisberge durch dünnes Packeis. Als Motoren für diese Bewegung konnte Wegener nur Unterschiede in der Zentrifugalkraft und den Gezeiten benennen – Kräfte, die viel zu schwach waren, um so umwälzende Auswirkungen zu haben.

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Ein Wissenschaftler kalkulierte damals, dass eine Gezeitenkraft, die stark genug wäre, um ganze Kontinente zu bewegen, die Erdrotation in weniger als einem Jahr zum Stillstand bringen würde. Gegner kritisierten zudem, dass ein Pflügen der Erdteile durch die ozeanische Kruste, wie Wegener sie vorschlug, die Kontinente bis zur Unkenntlichkeit verformt hätte.

Karte des Nordatlantiks
Am Mittelatlantischen Rücken driften die Erdplatten um rund 2 Zentimeter pro Jahr auseinander. © USGS

Rechenfehler in der Wanderungsgeschwindigkeit

Ein weiterer Schwachpunkt von Wegeners Theorie war der Zeitrahmen, den er für die Wanderung setzte. Aufgrund von Fehlern in seinen ursprünglichen Daten kam er in seinen Berechnungen zu dem Schluss, dass Nordamerika und Europa um mehr als 250 Zentimeter pro Jahr auseinander driften – mehr als dem zehnfachen der schnellsten heute bekannten Plattenbewegung und mehr als dem hundertfachen der tatsächlichen Wanderungsgeschwindigkeit beider Platten.

Doch trotz aller Schwächen in Teilen seiner Theorie war das, was Wegener den Geoforschern in Vorträgen und 1915 in seinem Buch „Die Entstehung der Kontinente und Ozeane“ darlegte, eine visionäre und wegweisende Vorstellung. Auch wenn die Mehrheit der Wissenschaftler die Ideen als nicht ernstzunehmend verwarfen, gab es doch einige Forscher, die Wegener unterstützten und selber begannen, nach Hinweisen auf die Wanderung der Kontinente zu suchen….

Nadja Podbregar
Stand: 21.02.2001

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Plattentektonik
Alfred Wegener und der Weg zu einem neuen Bild der Erde

Auf der Suche nach einer "Theorie der Erde"
Descartes und die Anfänge eines geologischen Weltbildes

Feuer oder Wasser?
Streit um die "Hauptrolle" bei den geologischen Veränderungen

Von schrumpfenden Äpfeln und Pentagonalnetzen
Wie entstehen Gebirge?

Faltungen, Eisberge und einseitige Kräfte
Das Rätsel der Gebirgswurzeln

Jede Menge ungelöster Rätsel...
Die Situation zur Zeit Wegeners

Die "Bombe" platzt
Wegener präsentiert seine Theorie

Auf tönernen Füßen....
Ablehnung und Kritik

Die Konvektion kommt ins Spiel
Wegener erhält Unterstützung

"Und sie bewegen sich doch..."
Der späte Sieg der Plattentektonik

Wechselwirkungen aller Art
Was passiert an den Plattengrenzen?

Die leise Revolution in der Theorie der Tektonik
Was hat sich bis heute getan?

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