Anzeige
Geologie/physische Geographie

Sinkflug im Marianengraben

Jacques Piccard und die Trieste schreiben Geschichte

Don Walsh und Jacques Piccard © Steve Nicklas / NOS / NGS / NOAA

23. Januar 1960. Der Schweizer Tiefseepionier Jacques Piccard sitzt zusammen mit dem amerikanischen Marineleutnant Don Walsh eingepfercht in der winzigen Stahlkugel des Bathyscaphen Trieste. Zusammen mit seinem Vater August hat er das neuartige Tauchboot im Auftrag der US-Marine entworfen und gebaut. Heute aber steht die Nagelprobe an. Rund 11.000 Meter soll es gleich senkrecht hinab gehen bis zum Grund des Marianengrabens.

Beiden Männern ist klar: Es ist ein Tag, um Geschichte zu schreiben oder im Extremfall sogar zu sterben. Denn sagenhafte 1.100 Bar Druck werden auf der Trieste am Meeresboden lasten – das ist als ob Hunderte von Elefanten auf einem einzigen unserer Zehen stehen. Entsprechend gemischt sind die Gefühle von Piccard und Walsh als es um 8.23 Uhr Ortszeit endlich losgeht. Aber auch die Welt hält den Atem an und fiebert mit den Abenteurern. Doch erstaunlicherweise geht alles reibungslos. Viereinhalb Stunden später setzt die Trieste in 10.910 Meter Tiefe auf dem Boden auf – Weltrekord.

Ein Plattfisch in 11.000 Meter Tiefe

Viel Zeit bleibt den Männern nicht, um zu feiern oder im Scheinwerferlicht die bizarre und kalte Welt am Fuß des Tiefseegrabens zu erforschen. Immerhin erblicken sie in dieser lebensfeindlichen Welt aber einen Plattfisch – eine wissenschaftliche Sensation. Allerdings eine nicht dokumentierte, denn Kameras haben die Männer gar nicht erst mit an Bord genommen.

Bathyscaph Trieste: Künstlerische Darstellung von der Arbeit unter Wasser © U.S. Naval Historical Center / US Navy

Nach zwanzig Minuten ist der ganze Spuk vorbei. Der Ballast wird abgeworfen und der Aufstieg des Bathyscaphen beginnt. Dreieinhalb Stunden später erreicht die Trieste mit ihrer Besatzung dann heil und unbeschadet die Wasseroberfläche. Der Traum ist wahr geworden. Piccard und Walsh werden zu Helden. Schließlich ist es ihnen gelungen, den konkurrierenden Sowjets ein Schnippchen zu schlagen und als erste Menschen den tiefsten aller Tiefseegräben zu erobern.

Heldentat ohne Verfallsdatum

Soweit das Szenario aus dem Jahr 1960. Heute, fast 50 Jahre später, ist ein solcher Trip in die Tiefsee dank der modernen Technik längst ein Kinderspiel und völlig gefahrlos – sollte man zumindest meinen. Doch Piccard und Walsh sind bis heute die einzigen Menschen geblieben, die jemals in die undurchdringliche Dunkelheit in knapp elftausend Meter Tiefe vorgedrungen sind.

Anzeige

Amerikaner und Russen verloren in der Folge schnell das Interesse an der Tiefsee. Einmal unten gewesen zu sein reichte doch. Was sollte man noch einmal dort? Zudem galt es ein neues, nicht minder prestigeträchtiges Ziel so schnell wie möglich zu erreichen: den Mond. Und auf dem Weg dahin hatte die Sowjetunion am 4. Oktober 1957 mit dem ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik bereits eine erste Duftmarke gesetzt.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. 6
  13. |
  14. 7
  15. |
  16. 8
  17. |
  18. 9
  19. |
  20. weiter


Stand: 12.09.2008

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Schlünde der Meere
Eine Reise in die Tiefseegräben

Sinkflug im Marianengraben
Jacques Piccard und die Trieste schreiben Geschichte

Die tiefsten Stellen der Meere
Welt ohne Licht

Tiefseegräben reloaded
Neuer Forschungsboom dank besserer Technik

Wimmelndes Leben am Challengertief
Tauchroboter Kaiko spürt Foraminiferen in elf Kilometer Wassertiefe auf

Rätselhafte Mini-Vulkane
„Petit Spots“ am Japangraben

Spurensuche im Gestein
Wie Petit Spots entstehen

Ein Wunderwerk der Technik
Mit HROV Nereus zu den tiefsten Stellen der Meere

Vorstoß in eine unbekannte Welt
Die erste Phase der Eroberung der Tiefsee

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Quallen - Faszinierende Überlebenskünstler der Ozeane

Erdbeben - Vorhersagbar oder aus heiterem Himmel?