Anzeige
Phänomene

Wie sinnvoll sind Strafen?

Kooperations-Anreize im Test

Wenn Reputation erfolgreich genug ist, um den Gemeinsinn unter Menschen zu fördern, und sie zudem keine Kosten verursacht, sollte sie Bestrafung eigentlich überflüssig machen. Eine Vorstellung, die auf Anhieb reizvoll klingt. Um das zu testen, setzte Milinski selbst auf eine Kooperation, und zwar mit der Wirtschaftswissenschaftlerin Bettina Rockenbach von der Universität Erfurt, die zuvor schon über Bestrafung und Kooperation gearbeitet hatte.

Wahl zwischen Bestrafung und Gesichtsverlust

In einem Vergleich der beiden Strategien sollten Rockenbachs Studenten auf den guten Ruf setzen, anstatt Trittbrettfahrer abzustrafen. Bestrafung sollte – so die Prognose der Wissenschaftler – nach mehreren Spielrunden ausgestorben sein. Milinski und Rockenbach gaben den Teilnehmern die Möglichkeit, die Spielvariante zu wählen: Vor Beginn jeder public-goods-Spielrunde konnten sich die Teilnehmer zum einen einer Gruppe anschließen, in der Kooperation sowohl durch Bestrafung mittels Strafpunkten als auch durch Reputationsbildung möglich war.

Wie sinnvoll und wirksam sind Strafen? © SXC

Zum anderen konnten sie eine Gruppe wählen, die lediglich auf Reputation setzte. In einem zweiten Experiment wählten sie zwischen einem Spiel, das nur Bestrafung erlaubte, oder dem einfachen public goods game ohne weitere Optionen.

Zu Anfang wählten die meisten die Spielvariante ohne Bestrafung. „Vielleicht einfach, weil sie Strafen vermeiden wollten“, vermutet Milinski. Doch zur Überraschung der Forscher wechselten mit der Zeit immer mehr Spieler ins Straflager, indem Kooperation durch Strafen und Reputation aufgebaut wurde. Und anders als man es nach reiner Berechnung erwarten würde, verschwand das teure Strafen auch nicht.

Strafe als Kosten der Kooperation?

„Der Anteil der Strafmaßnahmen wurde allerdings auf ein Drittel gesenkt“, sagt Milinski. Die Teilnehmer setzten Strafe nur noch bei den Schwerstbetrügern ein, dafür dann aber umso rigoroser. Zu strafen scheint also trotz der damit verbundenen Kosten ein durchaus gewollter Mechanismus für Kooperation zu sein, so unangenehm der Gedanke auch ist.

Anzeige

Weil der gute Ruf aber eine so wertvolle Kraft ist, um von Menschen Unterstützung zu bekommen, entstand in der Evolution der Menschen ein Wetteifern – zwischen denen, die Unterstützung wollen, und denen, die sie leisten sollen. Denn Unterstützer sind natürlich nicht gewillt, Hilfe zu leisten für einen Blender, der nur vorgibt, nobel zu sein.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. weiter

Marcus Anhäuser / MaxPlanckForschung
Stand: 06.06.2008

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Egoismus schafft Gemeinsinn
Auf der Suche nach den Triebkräften der Kooperation

Der Lohn des guten Rufs
Altruismus mit Hintergedanken

Kooperation unter Egoisten
Spielen für die Wissenschaft

Die Tragik des Gemeinguts
Woran Klimaschutz und Co. immer wieder scheitern

Das Problem der Anonymität
Unbekannt sündigt es sich leichter

Wie sinnvoll sind Strafen?
Kooperations-Anreize im Test

Gut nur unter Beobachtung?
Ein aufschlussreicher Augentrick

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Ratten als Samariter
Tiere helfen selbst unbekannten Artgenossen

„Zickenkrieg“ im Tierreich
Kampf um Partner und Ressourcen auch unter Weibchen

Was wirkt besser: Strafe oder "Liebesentzug"?
Wirtschaftsforscher und Biologe analysierten Interaktion beider Prinzipien

Wie Schimpansen „Hilfe“ rufen
Tiere kooperieren besser als gedacht

Evolution: Verrat zahlt sich nicht aus
In begrenzten Populationen bietet kooperatives Verhalten Vorteile

Dossiers zum Thema