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Inlandeis und Permafrost

Was erwartet uns, wenn das grönländische Eis schmilzt?

Der Golfstrom reißt ab, das Klima in Europa wird deutlich kälter und der steigende Meeresspiegel bedroht Millionen Menschen in Küstennähe. In der Arktis taut der Permafrostboden auf und setzt Treibhausgase frei, was die globale Erwärmung noch weiter beschleunigt. Könnten diese Szenarios Wirklichkeit werden? Noch kann niemand diese Fragen mit Gewissheit beantworten. Sicher ist jedoch, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Grönland kein lokales Problem sind, sondern uns alle betreffen. Denn das Abschmelzen des Eises hat Auswirkungen auf den Kohlenstoff-, Wärme- und Wasserhaushalt der gesamten Erde.

Der Meeresspiegel steigt

Cryosol - Ein vom Permafrost beeinflusster Bodentyp © USDA/NRCS

„Würde Grönland komplett verschwinden, dann stiege der Meeresspiegel weltweit um etwa sechs Meter“, erklärt Professor Dr. Heinz Miller, stellvertretender Direktor des Alfred-Wegener-Instituts. Doch dies ist zum Glück noch ein fernes Schreckensszenario, denn der momentane Anstieg der Temperaturen reicht dafür noch nicht aus. Die Werte müssten über die nächsten Jahrhunderte um drei bis sechs Grad Celsius anziehen, um einen solchen Prozess auszulösen.

„Nun ist es aber so, dass bei einer künftigen Erwärmung – jedenfalls in einem von uns modellierbaren Zeitraum der nächsten 100 Jahre – Grönland zwar sehr wahrscheinlich an Masse verlieren wird“, erläutert Professor Miller. „Aber dieser Massenverlust durch verstärktes Abschmelzen in Grönland wird kompensiert durch eine Eiszunahme in der Antarktis.“ Dort ist es so kalt, das ein Temperaturanstieg von drei bis sechs Grad Celsius noch keinen Schmelzprozess auslösen könnte. Vielmehr würde das antarktische Eis sogar zunächst noch weiter anwachsen, da im Falle einer Erwärmung vermutlich mehr Niederschlag auf dem „sechsten Kontinent“ fallen würde.

Golfstrom vor dem Aus?

Durch die großen Mengen an Schmelzwasser, die beim grönländischen „Gletscherschwund“ in den Atlantik gelangen, droht auch eine Veränderung der Meeresströme. In einigen Regionen Nordeuropas könnte es dadurch kühler werden. „Der Golfstrom als Ganzes kann nicht abreißen. Nur sein verlängerter Arm, der Nordatlantikstrom ist gefährdet“, schränkt der deutsche Klimaexperte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) die Situation auf den Internetseiten der Tagesschau ein. „Wenn er zum Erliegen kommt, würde keine neue Eiszeit entstehen, aber es könnte zu einer spürbaren regionalen Abkühlung im Nordatlantik vor allem um das europäische Nordmeer herum führen.“

Derzeit wird allerdings darüber spekuliert, ob sich beim Golfstrom tatsächlich schon jetzt etwas „bewegt“. „Nahezu alle Klimamodelle zeigen, dass sich der Golfstrom in Zukunft abschwächen wird und einige unserer ausländischen Kollegen meinten, erste Anzeichen dafür in Messdaten erkennen zu können“, führt Professor Claus Böning aus, Ozeanograph am IFM-GEOMAR. Der Forscher steht dieser Einschätzung einiger Kollegen eher kritisch gegenüber. „Dies konnte aber in den von uns durchgeführten Langzeitbeobachtungen nicht bestätigt werden“, so Böning.

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Treibhausgase aus dem Permafrost

Doch nicht nur Eis und Schnee an der Oberfläche sind vom Klimawandel betroffen. Auch der grönländische Permafrostboden ist in Gefahr. In den dauerhaft gefrorenen Schichten sind gewaltige Kohlenstoffvorkommen eingelagert, die sich dort im Laufe der Jahrhunderte aus absterbenden Pflanzen gebildet haben. Taut der Boden auf, könnte dieser Kohlenstoff langfristig freigesetzt und als Treibhausgas aktiv werden.

Sonnenuntergang im Norden Grönlands © Martin Fortier

„Wir wissen, dass das Klima der Arktis sich erwärmt und das die Tiefe des Permafrostes mit zunehmender Erwärmung nachlässt“ erklärt Polarwissenschaftlerin Jennifer Horwath von der University of Washington. „Wenn dies passiert, wird mehr Kohlenstoff aktiv und kann in Kohlendioxid umgewandelt werden, eines der am stärksten in der Atmosphäre vertretenen Treibhausgase.“

Ein weiteres Problem könnte durch das ebenfalls im arktischen Permafrost vorhandene Treibhausgas Methan entstehen. Professor Miller beschreibt dies folgendermaßen: „Wenn dieser gefrorene Boden nun in starkem Maß auftaut, dann kann es sein, dass mehr Methan freigesetzt wird und dadurch ein zusätzlicher Schub für eine mögliche Klimaerwärmung entsteht.“ Allerdings ist ein solches Szenario zunächst rein hypothetisch. „Vergangene Warmzeiten waren wärmer als die gegenwärtige Wärmeperiode. Und bisher haben wir keinen Beleg dafür, dass damals große Mengen an Methan freigesetzt worden sind“, erläutert Miller. Doch die potentielle Gefahr bleibt bestehen, denn schon heute hat der weltweite Rückgang der Permafrostgebiete begonnen.

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Stand: 18.05.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Grönland im Schwitzkasten
Eisiges Naturparadies in Gefahr

Grönland und der Klimawandel
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Inlandeis und Permafrost
Was erwartet uns, wenn das grönländische Eis schmilzt?

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