Allerdings gibt es auch Beispiele, dass solche unterschiedlichen sozio-kulturellen Faktoren einer Vermischung nicht entgegenstehen müssen. Spielt also die Lebensweise doch keine Rolle, wenn es um den intensiven Kontakt zwischen Einwanderern und Ansässigen geht? „Im Fall der Kalmücken glaube ich das schon“, sagt Ivan Nasidze. Und er zieht noch ein Ass aus dem Ärmel, das die These stützt: das Mongolen-Gen.
An einem Genort auf dem Y-Chromosom, DYS19, kam es irgendwann zu einer Verdopplung dieses DNA-Abschnitts, der typisch für das Genom der Mongolen ist. Bei keinem Volk der Erde kommt es so häufig vor wie bei den Bewohnern Zentralasiens. Die Kalmücken tragen es sogar noch häufiger als die Bewohner ihrer Ursprungsregion. Die Russen tragen es nicht. Aber bei einem anderen Nachbarvolk findet sich das doppelte Gen von DYS19: bei den Kasachen.
Genau wie die Kalmücken waren auch die Kasachen einst Nomaden und die Mehrheit der Bevölkerung ist buddhistisch. Sie sprechen zwar eine türkische Sprache, in der finden sich aber auch vereinzelt Worte mongolischen Ursprungs. Offenbar haben Männer und Frauen auf beiden Seiten in der Vergangenheit immer wieder genug Gemeinsamkeiten gefunden, um eine gemeinsame Zukunft zu starten. Das Mongolen-Gen ist der Beweis.
Dass Russen und Kalmücken nicht zusammengefunden haben, könnte – neben der gegensätzlichen Lebensweise – auch noch einen weiteren Grund haben: Es gab keine Notwendigkeit, weil die Gruppe der Kalmücken von Anfang an so groß war, dass es immer genug Auswahl für Partnerschaften gab, um unter sich zu bleiben. Das schließt Nasidze aus den Gendaten. „Es fehlt der für Auswanderungen typische Flaschenhals in der Vielfalt des Genmusters“, sagt er. Die genetische Variabilität bei den Kalmücken ist so groß wie die der heutigen Mongolen.
Normalerweise geht ein Teil der genetischen Diversität verloren, wenn sich eine kleine Gruppe von Menschen absondert und zur Gründerpopulation eines neuen Volkes wird. So war es bei der Besiedlung Polynesiens und auch bei den ersten Amerikanern. „Die Auswanderergruppe der Kalmücken hatte offenbar die gesamte genetische Bandbreite mit im Gepäck“, sagte Mark Stoneking.
Stand: 16.02.2007