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Geologie/physische Geographie

Hungerkünstler und Kampfstratege

Sphagnum – ein Moos als Landschaftsbildner

Moose und Gräser im Hochmoor © Andreas Heitkamp

Im Hochmoor leuchten die Torfmoorpolster in satten Grün- oder Rotbrauntönen. Wenn man ein Pflänzchen aus dieser feuchten Atmosphäre und aus seinem Pflanzenverband herausnimmt, fällt das Moospolster ein wenig in sich zusammen. Kaum vorzustellen, dass dieses recht zarte und unscheinbare Moos seit der Eiszeit der eigentliche Baumeister der Hochmoore auf der Nordhalbkugel gewesen ist und die Lebensbedingungen hier überhaupt erst geschaffen hat.

Ionenaustausch liefert Nährstoffe

Von allen Pflanzen hat sich keine Gattung in einem so starkem Maß an die Nährstoffarmut des Untergrundes angepasst. Torfmoose oder auch Sphagnen sind in der Lage, ihren Mineralstoffhaushalt ausschließlich aus dem Regenwasser zu decken. Hierzu haben sie eine Fähigkeit entwickelt, die ihnen zugleich Nährstoffe verschafft und Konkurrenten sehr effektiv unterdrückt – die Fähigkeit zum Ionenaustausch.

Jedes Kalium-, Kalzium- oder Magnesium-Ion, dass mit dem Regenwasser auf die Körperoberfläche des Mooses gelangt, wird von der Pflanze im Austausch gegen ein Proton aufgenommen. Die an das Regenwasser abgegebenen Protonen versauern das umgebende Medium in beträchtlichem Maß. Während Regenwasser normalerweise einen pH-Wert von rund 6 aufweist, senken die Sphagnen den des Moorwassers auf Werte um pH 4 ab. In diesem lebensfeindlichen Milieu haben nicht nur Fische wenig Chancen dauerhaft zu überleben – das zarte Epithel ihrer Kiemen würde verätzt. Auch für höhere Pflanzen wird es zunehmend schwerer, hier zu wachsen.

Wasserspeicherkapazität

Feuchtstandort Moor © Andreas Heitkamp

Das Torfmoos hat eine enorme Wasserspeicherkapazität. In ihrem Zellgewebe kann die Pflanze das bis zu dreissigfachen ihres Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Zwischen den photosynthetisch aktiven Zellen gibt es große, vollkommen leere Zellhüllen mit spangenartigen Wandversteifungen, die durch runde Öffnungen mit der Aussenwelt verbunden sind. Über diesen Weg nehmen die Speicher- oder "Hyalinzellen" Wasser auf – das Sphagnumblättchen saugt sich voll wie ein Schwamm.

Auch im abgestorbenen Torf bleibt diese Speicherfunktion erhalten. Sie ist der Grund dafür, dass das Moor so ein beträchtliches Wasserreservoir ist, das das Klima ihrer Umgebung entscheidend prägt. Das Moos ist die Ursache der gefürchteten Moornebel und der Unbetretbarkeit des Geländes. Der Grundwasserspiegel im Hochmoor kann durch die Hubkraft unzähliger Sphagnen bis zu zehn Meter über dem der Umgebung liegen! Und die Staunässe im Wurzelbereich macht der Konkurrenz ebenfalls das Leben schwerer.

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Konkurrenz- und wurzellos

Eine weitere Eigenschaft der Sphagnen unterdrückt die zarten Wachstumsversuche höherer Pflanzen vollständig. Im Gegensatz zu den meisten Pflanzen, die zumindest in der Wurzel ungünstige Lebensbedingungen überdauern, besitzt Sphagnum keine Wurzeln. Das Pflänzchen stirbt nach unten ab und wächst permanent nach oben, je nach Moor bis annähernd 19 mm pro Jahr. Die Wurzeln der Konkurrenz werden einfach überwachsen. Da der dichte Filz des Moospolsters durch seine Wassersättigung aber bereits wenige Millimeter unter der wachsenden Oberfläche keinen Sauerstoff mehr an die Wurzeln lässt, erstickt das Moospolster langsam aber stetig die anderen Pflanzen.

Nur wenige haben Strategien entwickelt, um diesem Druck standzuhalten. Der Sonnentau hält im Wachstum mit dem Moospolster Schritt, die Bäume der Randbereiche bilden sogenannte Brettwurzeln aus. Durch verstärktes Dickenwachstum an der Oberseite gelingt es ihnen eine Weile, mit dem Mooswachstum Schritt zu halten. In den zentralen Bereichen des Hochmoors indes sind die Torfmoose die uneingeschränkten Herrscher. Allerdings, nur solange sie wachsen…

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Stand: 13.10.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Hochmoore in Bedrängnis
Vom Leben in Extremen

Wasser, Ton und viel, viel Zeit...
Wie Moore entstehen

Säure und Nährstoffmangel
Lebensbedingungen im Hochmoor

Was ist Torf?
Boden, Baustoff, Brennmaterial

Blick in die Vergangenheit
Blütenstaub als Forschungsobjekt

Hungerkünstler und Kampfstratege
Sphagnum – ein Moos als Landschaftsbildner

Glitzernde Falle
Der Sonnentau – Karnivor im Moor

Gemeinsam sind sie stärker...
Mykorrhiza als Überlebensstrategie

Zwergenwuchs und Sonnenschutz
Warum Wasserverlust im Hochmoor vermieden wird

Blau bevorzugt
Das Hochzeitskleid des Moorfroschs

Die letzte Balz in Sicht?
Das Birkhuhn auf verlorenem Posten

Der "brennende Rasen"
Die Nutzungsgeschichte des Torfs

Die Geister, die ich rief...
Mineralisierung und Klimabelastung

... werd` ich nun nicht los
Moorbrände, Nährstoffeintrag und Artensterben

Sind die Hochmoore noch zu retten?
Versuche zum Erhalt einer Naturlandschaft

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