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Geologie/physische Geographie

„Aus der Vergangenheit lernen“

Interview mit Ludwig Zöller

Ludwig Zöller ist Professor für Geomorphologie an der Universität Bayreuth und Präsident der Subkommission für Löss der Internationalen Vereinigung für Quartärforschung INQUA. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Paläoklima, Datierungsmethoden und die Erforschung von Wüstenlössen. Besonderes Interesse hat er an der Verknüpfung paläoklimatischer Fragestellungen mit heutigen Umweltproblemen. g-o.de hat ihn danach befragt, welche Bedeutung Lösse als Klimaarchive haben.

Ludwig Zöller © Universität Bayreuth

g-o.de: Herr Professor Zöller, Eisbohrkerne, Sedimente aus den Tiefseeböden oder Seesedimente sind als Klimaarchive relativ bekannt. Wodurch unterscheidet sich die Löss-Stratigraphie von den anderen Methoden?

Zöller: Die verschiedenen Klimaarchive unterscheiden sich natürlich dadurch, dass nicht alle überall gleich zur Verfügung stehen. Eisbohrkerne sind nur aus den hohen Breiten zu haben. Lösse sind typisch für die mittleren Breiten. Außerdem lassen sie sich für sehr unterschiedliche Zeiträume datieren. Eisbohrkerne aus der Antarktis beispielsweise decken die letzten 700.000 Jahre ab. Tiefseebohrkerne reichen zusammengesetzt teilweise bis ins Tertiär, also etwa 40 Millionen Jahre zurück. Mit Lössen sind Datierungen im Zeitraum der letzten 2,5 Millionen Jahre möglich.

g-o.de: Was ist das Besondere an Lössen?

Zöller: Im Gegensatz zu Eisbohrkernen, die aufgrund ihrer Herkunft aus den hohen Breiten der Erde und des Wasserdampftransportes aus niederen zu hohen Breiten vor allem globale Klima-Signale aufgenommen haben, sind Löss-Stratigraphien sehr viel stärker regional geprägt und in diesem Rahmen auch detaillierter. Sie sind bei Vergleichen von benachbarten Lössen aus der gleichen Region aussagekräftig, weil es immer auch lokale Unterschiede der Umweltbedingungen gibt, die im Sediment registriert werden. Aber sie lassen sich auch mit anderen Klimaarchiven korrelieren.

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g-o.de: Ist die Datierung und Interpretation von Lössen verlässlicher als die von Eisbohrkernen?

Zöller: Das kann man so nicht sagen. Bei Eisbohrkernen muss man jenseits des jungen Altersbereiches, der durch Jahresschichten des Eises repräsentiert ist, bestimmte Modelle zur Datierung anwenden. In der Lössforschung versuchen wir, durch verschiedene Datierungsmethoden wie Lumineszenz, C14, Paläomagnetik oder Aminosäurenracemisierung, Zeitmarken zu setzen. Dazwischen interpolieren wir, beispielsweise mit Korngrößenbestimmungen, Gesteinsmagnetik oder geochemischen Parametern. Dabei stützen wir uns wiederum auch auf Ergebnisse aus Tiefseekernen oder Eisbohrkernen.

g-o.de: Meinen Sie, dass Lösse als Klimaarchive bisher unterschätzt werden?

Zöller: Lösse als Paläoklimaarchive sind seit langem bekannt. Es wurden aber erst in den letzten beiden Jahrzehnten innovative und höher auflösende Methoden für die Lössforschung bereitgestellt, während die Erforscher der Tiefseekerne und der Eisbohrkerne zum Teil schon früher mit großartigen neuen Ergebnissen aufwarten konnten. Daraus ergab sich ein gewisser Nachholbedarf der Lössforschung. Erst jetzt bemüht man sich, eine vergleichbare Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich denke schon, dass Lösse als Klimaarchive in der Öffentlichkeit zeitweise unterschätzt wurden. Das bleibt aber hoffentlich nicht so.

g-o.de: Welche Bedeutung hat die Rekonstruktion des Paläoklimas aus Lössen Ihrer Meinung nach für künftige Klimaprognosen?

Zöller: Ganz allgemein gilt für paläoklimatologische Forschungen: Wir müssen aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen. Bei der Analyse von Klimaarchiven stellen sich immer wieder die gleichen Fragen: Was ist natürlich? Was ist anthropogen? Diese Fragen müssen wir versuchen zu beantworten, denn nur so können wir natürliche Zyklen und Steuerungsmuster erkennen. An Seesedimenten aus Maaren in der Eifel hat man beispielsweise abrupte Klimawechsel ausgemacht, bei denen plötzlich, innerhalb von 25 Jahren, die Jahresmitteltemperatur um zehn Grad gefallen ist. So ein Temperaturunterschied ist enorm! Gerade Lösse bieten die Möglichkeit, vorzeitliche, kurzfristige Klimasprünge genauer zu untersuchen und zu datieren. Denn im Hinblick auf Analogien zu bevorstehenden Klima- und Umweltänderungen sind vor allem solche rapiden Wechsel von Interesse.

g-o.de: Wo sehen Sie noch Forschungsbedarf, um das Potential von Löss-Vorkommmen als Klimaarchiv besser zu nutzen?

Zöller: Wir müssen die Methoden, einschließlich der Datierungsmöglichkeiten, verfeinern. Zudem haben wir noch enorme regionale Kenntnislücken. Erst nach der Öffnung Chinas nach dem Ende der so genannten Kulturrevolution wurden die einzigartigen chinesischen Lössprofile für internationale Forscherteams wieder zugänglich. Andere asiatische Lössregionen im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion konnten erst nach der Perestrojka ungehindert untersucht werden. Sehr große Forschungslücken existieren für die südamerikanischen Lösse, die erst in jüngster Zeit ins Bewusstsein rücken. Die so genannten Wüstenlösse der Wüstenrandgebiete des altweltlichen Trockengürtels sind meiner Ansicht nach bisher nur sehr sporadisch und eher zufällig bekannt. Da kann man noch regelrechte Entdeckungsreisen planen.

g-o.de: Vielen Dank für das Gespräch!

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Stand: 29.09.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Löss
Staub als Klimaarchiv

Herr von Richthofen fährt nach China...
… und macht eine Entdeckung

„Kalter“ oder „heißer“ Löss?
Eine Frage der Herkunft

Das Lasagne-Prinzip
Löss-Paläoboden- Sequenzen

Alphabet der Lössdatierung
…Korngröße, Lumineszenz, Magnetik,…

Wie sich der Monsun verrät
Indiziensuche im China-Löss

Missing Link im Lössgürtel
Aus dem Alltag eines Lössforschers

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