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Geologie/physische Geographie

Planeten-Kulisse in Afrika

Wie die Welt atmet und schwitzt

Durch die Spalten, Schlote und Schluchten direkt mit dem Erdinneren verbunden, treten im Ostafrikanischen Grabenbruch „Blut“ und „Schweiß“ an die Erdoberfläche, wie nirgendwo sonst. Ein deutliches Zeichen, dass die Erde unter dem Tal brodelt und kocht.

Der Magadi-See und der Natron-See westlich des Kilimandscharo sind auf der Landkarte nur mit dünnen, blauen Punkten eingezeichnet. Kaum ein anderes Gewässer ist auf dem Rücken des östlichen Grabenbruchs zu finden. Statt den lang gedehnten, schmalen Tanganyika- und Malawiseen des westlichen Grabens beherrscht hier eine zerklüftete Lavalandschaft mit Fantasiefarben die Natur. Nicht nur den Kartographen erscheinen die Seen daher ziemlich unwirklich – auch Augenzeugen glauben kaum, was sie sehen.

Wie ein riesiger Spiegel liegt der Magadi-See im Becken der Ngong Hills im südlichen Kenia. Das Blau des Himmels schwimmt ruhig auf der knapp 100 Quadratkilometer großen Wasseroberfläche und die vom Wind zerzausten Wolken zeichnen sich scharf ab. Eine spiegelglatte Wasserfläche trotzt dem starken Passatwind, ohne auch nur das geringste Anzeichen von Kräuseln auf dem Wasser? Jegliche physikalischen Gesetze scheinen an diesem Ort aufgehoben – doch die chemischen funktionieren.

Mineralwasser mit Spiegelei

Auf dem Natron-See bilden sich um die Wasserschlote weiße Natron-Krusten, die von oben aussehen wie Spiegeleier. Das heiße Wasser verdampft und das Salz fällt aus und kristallisiert. Durch die Verdunstung des Wassers in der Trockenzeit nimmt die Natron-Konzentration im See immer stärker zu und ein Purpurbakterium färbt das Wasser blutrot. © NASA

In der Regenzeit sammelt sich in dem sonst völlig trockenen Becken Wasser, und löst die zahlreichen Mineralsalze aus dem Boden. Dadurch ist das Wasser derart mit Salzen gesättigt, dass es zu schwer und dickflüssig ist, als dass es der Wind noch bewegen könnte. Die hochkonzentrierte Lauge bedeckt etwa einen Meter hoch das Becken und bildet am Ufer eine weiße Salzkruste, wo das Wasser verdampft und das Mineralkristall Trona zurückbleibt. Ein Salzgemisch, das abgebaut und zu Pottasche und Kochsalz verarbeitet wird.

Auch der Nachbarsee besteht aus dem mineralhaltigen Wasser. Neben dem Ngorongoro-Krater liegt der knapp 1.000 Quadratkilometer große Natron-See. Angefüllt mit den Wassermassen der Regenzeit, schmiegt er sich zähflüssig durch den hohen Mineralgehalt glatt in die Senke. Die Wasseroberfläche ist ein so exaktes Spiegelbild des Himmels, dass Oben unten und Unten oben sein könnte, und umgekehrt. Eine Verwirrung, die selbst den sonst sicheren Orientierungssinn der Zugvögel außer Kraft setzt. Irritiert vom Spiegelbild der Sternenbilder stürzen sie nachts oft in den See. Die ätzende Lauge löst in kurzer Zeit ihre Körper auf und zurück bleiben nur die Skelette am Ufer der Todesfalle.

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Liegt das chemische Geheimnis während der Regenzeit noch verborgen hinter dem Bild idyllischer Seen, bringt die Trockenzeit die Fremdartigkeit der Gewässer ans Licht. Nach der Regenzeit tauchen auf der dunklen Wasseroberfläche weiße Spiralen auf, die in Gruppen wie große Spiegeleier nebeneinander liegen. In ihrem Zentrum spucken Hunderte von Geysiren aus kleinen Schloten fast reines Natriumkarbonat in den See. Reagiert das Soda mit Sauerstoff und Kohlendioxid, bilden sich um die „Drüsen“ immer größere weiße Krusten aus Natriumhydrogenkarbonat, oder Natron. Geologen vermuten, dass Regenwasser besonders gut durch die zerrissene Erdkruste entlang des Grabenbruchs in das Erdinnere sickert. Von Magmablasen erhitzt, löst das Wasser die Minerale aus dem Tiefengestein und „schwitzt“ das Natrium an der Oberfläche wieder aus.

Farbenspiel in der Sommerzeit

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Je näher die Trockenzeit rückt, desto stärker verdunstet das Wasser. Die Seen werden immer zähflüssiger und dicken mit den Mineralen ein. Rund um die Geysire kristallisiert das Natron aus und bildet weißliche Platten an der Wasseroberfläche, die der Monsun wie Eisschollen über den See treibt. „Eis“ bei glühender Hitze – ein Anblick, der erneut den naturwissenschaftlichen Verstand zur Verzweiflung bringt.

Spätestens zum Höhepunkt der Verdunstung scheinen jedoch endgültig alle Regeln außer Kraft gesetzt und Besucher sehen eine Landschaft wie von einem anderen Stern. Zwischen braunen Bergrücken, schwarzen Lavafeldern und den vom Natron weiß gefärbten Vulkankegeln hat sich die Talsohle blutrot gefärbt. Die Hitze hat den See trocken gelegt und nur die mineralischen Überreste glitzern noch in der Sonne. Mehrere hundert Quadratkilometer leuchten tiefrot und sind durchzogen mit einem Netz von Rissen, die sich mit weißem Natron gefüllt haben. Der aufquellende Nachschub baut die Linien zu weißen Natronwänden auf, die zahllose Waben mit 20 bis 30 Metern Durchmesser voneinander trennen.

Das Hellrot, Dunkelrot und Blutrot hat vermutlich unterschiedliche Ursachen. Während der Boden einiger Waben noch mit Wasser bedeckt ist, sind andere völlig ausgetrocknet. In den feuchten Waben färbt das Purpurbakterium die hochkonzentrierte Lauge rosa. Daneben überziehen eine haben Milliarden von roten Carnelit-Kristallen die trockenen Wabenböden.

Es blubbert und raucht an der Oberfläche. Es brodelt und kocht im Erdinneren. Erdbeben erschüttern die ostafrikanische Erdkruste und immer wieder spucken Vulkane Lava heraus. Alle Anzeichen deuten auf eine besonders aktive Region der Erde hin. Doch die Geologen streiten sich, ob die tektonischen Aktivitäten stärker werden und die Geburt eines Ozeans bevorsteht, oder ob die Prozesse nur ein Nachklingen vergangener Bewegungen sind – und der Grabenbruch niemals einen neuen Kontinent abspalten wird.

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Stand: 25.08.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ein Kontinent zerbricht!?
Das Afrikanische Grabensystem

Millionen Jahre in Sekunden
Geologie im Schnelldurchlauf

Der Reißverschluss öffnet sich
Die Afar-Senke reißt ein

Grabenbrüche mit System
Verwerfungen spannen ihr Netz

Der Magma-Motor
Plattenbruch und Plattendrift

Die Riesen von Ruwenzori
Mutanten geben Rätsel auf

Planeten-Kulisse in Afrika
Wie die Welt atmet und schwitzt

Magma vs. Tektonik
Was die Erde zerreißt

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

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