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Geologie/physische Geographie

Die Riesen von Ruwenzori

Mutanten geben Rätsel auf

Die geologischen Besonderheiten des westlichen Grabenbruchs erschaffen die ungewöhnlichsten Landschaften. Ihre Entstehung wurde durch die Hebungs- und Senkungsprozesse des Grabensystems beeinflusst, von Milliarden Jahren altem Gestein, seismischer Aktivität und brodelnder Lava über und unter der Oberfläche.

Nur 200 Kilometer nördlich der Virunga-Vulkane liegt das Ruwenzori-Gebirge. Obwohl der Gebirgssockel in direkter Linie des westlichen Grabens liegt, ist er nicht vulkanischen Ursprungs – im Gegensatz zu den meisten Hochgebirgen Afrikas wie etwa dem Kilimandscharo. Dennoch hat das Ruwenzori-Massiv von den tektonischen Entstehungsprozessen profitiert. Das aufstrebende Magma zersplitterte die Kontinentalkruste, senkte einen Krustenstreifen ab, der den Graben bildete, und hob die benachbarte Bruchkante mit dem Ruwenzori-Gebirge an.

In Legenden und Sagen soll diese Hebung über Nacht passiert sein, und so das Rätsel des mystischen Regenwaldes erklären, der die Flanken der Berge bis auf 4.000 Metern Höhe bedeckt. In dem Bergwald wachsen 300 Jahre alte Blütenpflanzen, 15 Meter hohe Heidekrautgewächse und bilden eine der größten Vegetationsdichten der Erde – in einer Höhe, wo in Europa nur noch die letzten Gletscher liegen.

Überlebenstechnik in der Extreme

Dichte Nebelschwaden verschleiern das Hochgebirge an mehr als 300 Tagen im Jahr, ganz zu schweigen von dem monatelangen Dauerregen, der nur für zweimal jährlich einen Monat lang Pause macht. Die tropische Feuchtigkeit schafft an den Hängen einen sprießend grünen Bewuchs, der erst dicht unter dem Gipfel langsam abnimmt. Die Pflanzen haben sich nicht nur an die dünne Bergluft gewöhnt, sondern überstehen auch die extremen Temperaturschwankungen: frostigen Nächte von minus zehn Grad nach 35 Grad Hitze am Tag.

Die Riesengewächse von Ruwenzori © Manuel Werner

Eine Lobelien-Art hat sich dafür sogar extra einen dicken Pelz zugelegt. Die Pflanzen schützen ihren fast vier Meter hohen Blütenschaft durch einen dichten, haarigen Bewuchs, der sowohl Frost wie auch zu starke Sonnenstrahlung abhält. Andere Lobelien sammeln in ihren Blattrosetten Regenwasser, das ihre pflanzeigene Substanzen in ein natürliches Frostschutzmittel verwandelt. So halten die Pflanzen ihre „Innentemperatur“ immer auf vier Grad plus – auch wenn die Temperatur nachts mal auf zehn Grad unter Null absinkt. Senecien dagegen werfen ihre welken Blätter aus der zwölf Meter hohen Baumkrone nicht einfach ab, sondern lassen sie schlaff am Stamm hinunter hängen: eine mehrere Zentimeter dicke Isolationsschicht gegen Hitze und Kälte.

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Die Stämme und der Waldboden sind dicht bedeckt mit Moosen und Gräsern, so dass kaum ein Flecken frei von Vegetation bleibt. Der hohe Niederschlag mag Vielfalt und Masse der Pflanzen erklären, doch woher das Riesenwachstum der Arten kommt ist den Wissenschaftlern nach wie vor unerklärlich.

Antworten für das Riesen-Rätsel

Ist das fast drei Milliarden Jahre alte Gestein aus dem Präkambrium der Schlüssel? Aus Granit und Gneis, die an anderen Stellen der Erde mit mehreren tausend Metern Sedimenten bedeckt sind, spült der Regen wichtige Mineralsalze in die Vegetation. Botaniker entdeckten sogar noch ein weiteres Düngemittel. Im Elena-Gletscher zwischen den Ruwenzori-Gipfeln sind deutlich schwarze Streifen in dem weißen Eis zu sehen – in der Trockenzeit transportiert der Wind gewaltige Mengen Asche von den riesigen Steppenbränden in das Gebirge. Der Aschenregen düngt das Riesenwachstum regelmäßig zweimal im Jahr.

Einige Wissenschaftler sehen in den unwirtlichen Bedingungen selbst die Lösung. In anderen Gebirgen ist zwischen 3.000 und 4.000 Metern Höhe die ultraviolette Strahlung der Sonne so intensiv, dass sie den Zellkern von Pflanzen zerstört. Doch im Ruwenzori-Gebirge wird das UV-Licht fast das ganze Jahr über durch die tiefen Wolken und Nebelfelder abgeschwächt. Die schließlich bei den Pflanzen noch ankommende Strahlung könnte jedoch genügen, an den Pflanzen-Chromosomen Mutationen auszulösen: etwa einen Riesenwuchs.

Vielleicht hilft dem Garten für Riesen die Nähe zum pulsierenden Erdinneren? Schließlich dürfte nirgends sonst so altes Gestein auf einer so dünnen Erdkruste sitzen und damit dem tropischen Regenwald knapp 500 Meter unter den sechs Gipfel-Gletschern die Wurzeln „wärmen“.

Im Gegensatz zum östlichen Grabenbruch, der durch Tansania zum Afar-Dreieck führt. Dort verwandeln die Ausscheidungen des Erdinneren die Erdoberfläche in bizarre Formen und die Szenerie erinnert nicht an die Geburt eines Kontinents, sondern eher an die eines neuen Planeten.

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Stand: 25.08.2006

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Ein Kontinent zerbricht!?
Das Afrikanische Grabensystem

Millionen Jahre in Sekunden
Geologie im Schnelldurchlauf

Der Reißverschluss öffnet sich
Die Afar-Senke reißt ein

Grabenbrüche mit System
Verwerfungen spannen ihr Netz

Der Magma-Motor
Plattenbruch und Plattendrift

Die Riesen von Ruwenzori
Mutanten geben Rätsel auf

Planeten-Kulisse in Afrika
Wie die Welt atmet und schwitzt

Magma vs. Tektonik
Was die Erde zerreißt

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

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