Seit dem 16. Jahrhundert dienen topographische und politische Karten dazu, Staatsterritorien zu verwalten. Wurden Grenzen damals auf Karten eingetragen, bekamen sie offiziellen Charakter. Staaten machten so mit einem „Pinselstrich“ ihre Ansprüche geltend.
Die Kolonialmächte beispielsweise teilten 1885 Afrika mit der Landkarte unter sich auf. Und aus so mancher Grenzstreitigkeit sind handfeste Kriege entstanden, weil lediglich eine Partei von der Richtigkeit der Grenze überzeugt war.
Provokante Karten
So beanspruchen England und Argentinien seit dem 19. Jahrhundert die Falkland-Inseln für sich. Im Laufe der Kolonialisierung gehörten diese zu Frankreich und zu Spanien, zeitweise auch zu den beide heute noch streitenden Parteien, blieben aber lange unbewohnt. Nachdem Argentinien die Inseln 1820 erobert und wieder verlassen hatte, wurden sie schließlich von den Engländern besiedelt.
Der Konflikt eskalierte 1982 im Falkland-Krieg. Argentinien besetzte die Inseln, Großbritannien schlug zurück und behielt sie bis heute unter Kontrolle. Trotzdem weist Argentinien die Falkland-Inseln auf seinen Karten bis heute als eigenes Territorium aus.
Obwohl zum Teil drastische Folgen drohen, ist die Versuchung scheinbar groß, den Grenzstrich auf einer Karte zu verändern und – wenn auch nur ein bisschen – zu schummeln. Manchmal merkt es nicht einmal jemand …
Der Tempel von Preah Vihear
1958 landete der Fall des Tempels von Preah Vihear vor dem Internationalen Gerichtshof. Thailand hatte bei Vermessungen festgestellt, dass eine ursprünglich vereinbarte Grenzlinie zu seinen ungunsten verschoben worden war und Kambodscha den fraglichen Tempel nun für sich beanspruchte. Der Grenzvertrag war 1907 zwischen dem damaligen Siam und Frankreich, dem Kolonialherren Kambodschas, geschlossen worden. Als Grenze sollte eine natürliche Wasserscheide dienen.
Entgegen der vertraglichen Vereinbarung hatten französische Kartographen auf einer Karte die Grenzlinie etwas verschoben, so dass der Tempel auf dem Papier Kambodscha zufiel. Die Karte war zusammen mit dem anders lautenden Vertrag übergeben worden. Die siamesisch-thailändischen Behörden übersahen wohl die kleine „Korrektur“, denn die Karte wurde von ihnen zunächst ohne Protest akzeptiert, nachgedruckt und in Umlauf gebracht.
Als Thailand die Schummelei bemerkte, druckte es seinerseits von da an eine korrigierte Fassung mit dem vertraglich festgelegten Grenzverlauf auf der Wasserscheide – äußerte sich jedoch nicht zu dem Vorfall. Erst 1958 wurde das Grenzgebiet strittig und beide Parteien verlangten schließlich Klärung.
Der Internationale Gerichtshof entschied letztlich zugunsten Kambodschas. Thailand habe die Karte zur Kenntnis genommen, trotz mehrfacher Gelegenheit nicht widersprochen und die Grenze auf der Karte so stillschweigend akzeptiert, lautete das Urteil. Kambodscha erhielt in der Folge seine territoriale Souveränität im strittigen Gebiet. Thailand musste sich dem gerichtlichen Urteil fügen und das Land endgültig abtreten.
Wer zuerst kommt…
Damit es erst gar nicht erst zu derlei Streitigkeiten kommt, haben schon heute sieben Nationen ihre Claims in der Antarktis abgesteckt – allerdings nur auf Karten, denn bisher ist die Antarktis staatenlos. Großbritannien, Norwegen, Australien, Frankreich, Neuseeland, Argentinien und Chile gründen ihren Anspruch unter anderem auf traditionellen Walfanggebieten oder Schenkungen durch die englische Krone. Die Regierungen wollen ihr Tortenstück prophylaktisch sichern, sollte der südlichste Kontinent tatsächlich einmal aufgeteilt werden. Mit dem Antarktisvertrag von 1959 erklärten sich die sieben Staaten bereit, ihre Territorialansprüche ruhen zu lassen. Dennoch weisen Chile und Argentinien auf offiziellen Karten die Antarktis bereits als Staatsterritorium aus.
Stand: 13.01.2006