Anzeige
Phänomene

Ein Lärmschutz für Wale?

Die Geräuschkulisse einer Großbaustelle

Eine völlig neue Form der Umweltverschmutzung wurde erst kürzlich vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen offiziell anerkannt: Lärm. Menschen können gegen zu laute Baustellen, zu laute Arbeitsplätze oder zu laute Nachbarn vor Gericht klagen. Der Verursacher muss für schmerzende Ohren oder schlaflose Nächte eine Entschädigung zahlen und künftig leiser sein. In den Ozeanen aber kann Lärm sogar töten. Vor allem Delphine und Wale sind seit Mitte der 1980’er immer wieder durch Unterwasserlärm umgekommen.

Seit dem die Menschen aber die Meere erobert haben, hören Wale nicht nur noch die vertrauten Gesänge ihrer Artgenossen. Schiffspropeller pflügen durch die Wellen, Ölbohrinseln drehen kreischend ihre Kanülen in die Erdkruste und Radbagger schaben Rinnen für Kabelkanäle in den Tiefseeboden. Allein das Hintergrundgeräusch einer Schiffsschraube liegt in einem Frequenzbereich von 20 bis 300 Hertz – Frequenzen, die auch von vielen Walen benutzt werden. Versucht ein Wal etwa in diesen Tonlagen seine Gruppe zu rufen, hört er als Antwort statt seiner Wale nur ein Murmeln der Schiffe ringsherum. Allein die schiere Lautstärke der „Nebengeräusche“ reicht oft, dass sein Rufen unhörbar bleibt.

180 Dezibel – ein Raketenstart unter Wasser

Ölplattformen sind auch durch ihren Lärm eine Umweltbelastung © DOE / NREL

In der Nordsee hat Professor Arthur Baggeroer vom Massachusetts Institute of Technology eine durchschnittliche Lautstärke von 100 Dezibel gemessen: Sie ist damit das „lauteste“ Meer der Welt. „Das metallische Krachen und die Vibrationen in der Nähe von Bohrinseln kommen gar auf 180 Dezibel.“ Durch den Lärm können sie nicht nur die Laute der anderen Tiere nicht mehr hören, sondern auch nicht mehr das eigene Biosonar. Der ausgesendete Schall wird durch die anderen Geräuschquellen im selben Frequenzbereich so gestört, dass der Wal nahezu ohne seinen wichtigsten Orientierungssinn auskommen muss. Berufstaucher der amerikanischen Marine, die unter Wasser einer Lautstärke von 160 Dezibel ausgesetzt waren, litten an geistiger Verwirrung und Orientierungslosigkeit und mussten tagelang im Krankenhaus behandelt werden. Wie traumatische muss der Lärm erst bei Walen sein, die bis zu fünf Mal besser hören können als ein Mensch?

Die langfristigen Auswirkungen der permanenten Hintergrundgeräusche auf Wale sind zwar bisher kaum untersucht, doch bereits 2004 wiesen die Wissenschaftler des Internationalen Tierschutzfonds auf unabsehbare Langzeitschäden hin. Durch die Dauerbelastung der Hörorgane wird das Biosonar so geschwächt, dass die Wale nicht nur weniger Nahrung finden, sondern sich ohne exakte Orientierung auch immer wieder verirren und stranden. Die Tierschützer belegten bereits, dass der Lärm zu geringerem Nachwuchs führt – die Wale hören die Rufe möglicher Partner zur Paarungszeit und nicht mehr.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. 11
  24. |
  25. weiter


Stand: 06.01.2006

Anzeige
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Orientierungslose Giganten
Warum stranden Wale?

Facts
Das Wichtigste in Kürze

Über 150 Wale in Neuseeland gestrandet
Gibt es noch Hoffnung?

Exakte Positionsbestimmung – auch ohne GPS
Wie Wale ohne Routenplaner die Weltmeere durchqueren

Ver(w)irrte Wale sterben auf dem Land
Massenstrandungen in aller Welt

Gift-Cocktail unter Wasser
Schadstoffe bringen den schleichenden Tod

Ein Lärmschutz für Wale?
Die Geräuschkulisse einer Großbaustelle

Schall-Bomben töten Meeressäuger
Militärübungen auf dem Meeresboden

Klimaveränderung sogar für Wale gefährlich?
Treibt der Wind die Wale auf die Strände?

Wenn alle Sinne ausfallen…
Sonnenaktivität verbiegt die „Landkarte“

Theorien, Spuren und Indizien
Das Rätsel ist noch nicht gelöst

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

keine Dossiers verknüpft