Anzeige
Geologie/physische Geographie

Wo ist Null?

Was ist schon „Normal“?

Seit der Erfindung der Messinstrumente sind sowohl die Geräte als auch die Messtechniken revolutioniert worden. Noch immer aber bestimmen die Bezugsgrößen die Genauigkeit einer Messung. Über hundert Jahre lang orientierte sich beispielsweise die Höhenmessung der Erdoberfläche am Meeresspiegel. Ihn lasen die Vermesser einfach an Messstäben ab und ermittelten später aus dem Durchschnitt verschiedener Messungen einen Nullpunkt – das Normalnull. Dessen Höhe aber variierte je nach Land, da jede Regierung ihre eigenen Messungen an verschiedenen Punkten mit unterschiedlichen Meeresspiegeln durchführte.

Der Meeresspiegel - wie hoch ist er? © Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie

1992 jedoch wurde das jahrhundertealte „Normalnull“ (NN) in den Ruhestand geschickt – und auch hier hatte die Schwerkraft ihre Hand mit im Spiel. Denn die Unterschiede im Erdschwerefeld wirken sich auch auf die Verteilung der Wassermassen aus und beeinflussen damit die Meeresspiegel. Sobald die Wissenschaftler in der Lage waren, den Einfluss annähernd mit Satelliten zu bestimmen, glichen sie die Bezugsfläche „Normalnull“ mit dem Geoid ab: Daraus definiert sich heute „Normalhöhennull“ (NHN), die Basis für das Deutsche Haupthöhennetz und das United European Levelling.

Einen Haken aber hat das Ganze noch immer: Die Differenz der Nullniveaus zwischen den Ländern ist damit zwar genauer bestimmt worden, aber abgeschafft wurde sie nicht. Und genau das wurde im Januar 2004 zu einem Problem: Kurz vor der Fertigstellung einer Brücke zwischen Deutschland und der Schweiz fiel den Ingenieuren ein eklatanter Fehler auf: Die Brücke kam auf der deutschen Seite 54 Zentimeter zu tief an. Schuld war, wie sich schnell herausstellte, das nicht übereinstimmende Normalhöhennull: Die Schweiz benutzt als Standard-Nullpunkt das durchschnittliche Niveau des Mittelmeeres in Triest – Deutschland jedoch das 27 Zentimeter tiefer gelegene Niveau der Nordsee in Amsterdam. Der Schweizer Ingenieur wollte das zwar berücksichtigen, hatte aber durch einen Denkfehler die 27 Zentimeter der Differenz hinzugefügt statt abgezogen.

Mit dem „Rötgenblick“ ins Erdinnere

Die genaue Ausmessung des Erdschwerefeldes lässt aber nicht nur Aussagen über Normalnull zu, sondern vor allem auch über Gesteinsschichten in der Erdkruste und dem oberen Erdmantel. Geophysiker setzen dafür Gravimeter ein. Diese Messinstrumente vermessen das Schwerefeld, indem sie sich dem Prinzip der Erdanziehung bedienen.

Ein Absolutgravimeter zeichnet beispielsweise mit Lasertechnik auf, wie schnell ein Testkörper In einer isolierten Kammer zu Boden fällt. Das Ergebnis kann entweder in Beschleunigung mit der Einheit m/s² oder der Maßeinheit für die Schwere, GAL, angegeben werden. Die Schwerebeschleunigung an den Polen etwa beträgt 9,83 m/² und die Schwere 983,3 GAL.

Anzeige
Wo sind die Erdöllagerstätten? © TU Bergakademie Freiberg

Bei einem Relativgravimeter fällt der Testkörper nicht frei, sondern hängt an einer Spiralfeder. Schon Isaac Newton hatte dieses Prinzip genutzt und die Abweichung der Federlänge gemessen, wenn die Schwere sich veränderte. Heute registriert ein Lichtstrahl kleinste Schwankungen der Spiralfeder. Werden die äußeren Beeinflussungen durch Rotation, elliptische Verformung und Höhenlage mathematisch abgerechnet, gibt dieser Schwerewert einen Hinweis auf die Dichte des Gesteins im Erdinneren.

Und diese Dichte kann sprichwörtlich Gold wert sein – schwarzes Gold. In den 1980er Jahren machte sich die Erdöl-Industrie als erste diese Kenntnisse zu nutze. Sie führte systematische Schweremessungen in viel versprechenden Gebieten durch und ließ die Geologen auf diese Weise nach Salzstöcken oder Aufwölbungen der Erdfaltung suchen. Beide sind häufige Nachbarn der begehrten Kohlenwasserstofflagerstätten, aber anhand ihrer auffälligen Dichte leichter zu finden.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. 10
  22. |
  23. weiter


Stand: 25.11.2005

Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Eine Kartoffel im Weltall
Den Kapriolen der irdischen Schwerkraft auf der Spur

Erst war die Erde eine Scheibe …
Warum die Menschen trotzdem niemals runterfallen

…dann ein Ei …
Wenn die Erde Karussell fährt

… und schließlich sogar eine Kartoffel?
Die Natur will ins Gleichgewicht

Wo ist Null?
Was ist schon „Normal“?

Auch im Himmel kann es „schwer“ sein
Aus der Ferne sieht man besser

Schweremessung in der Schwerelosigkeit
Eine Störung liefert Genauigkeit

Wettrennen im All bringt Daten auf die Erde
Je kleiner die Schritte desto größer der Fortschritt

Leichte Beeinflussung eines Schwergewichts
Wie schwer ist Wasser?

Die Zukunft – ein Wackelpudding?
Alte Geheimnisse und neue Welten

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema

Erdbeben - Vorhersagbar oder aus heiterem Himmel?