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Himmelsmechanik mit Tricks

Das kirchliche Weltbild des Universums

Noch im ausgehenden 16. Jahrhundert weigerte sich die Kirche zur Kenntnis zu nehmen, was immer offensichtlicher wurde. Für sie galt nach wie vor das Weltbild des antiken Ägypters Ptolemäus. Immerhin hatte sie zu diesem Zeitpunkt unsere Welt schon als Kugel begriffen – das war auch vertretbar, galt doch die Kugel als die ideale Form.

Das ptolemäische Weltbild: Die Erde befindet sich im Zentrum © Starobserver

Die Erde als schwerstes Element stand dabei wie selbstverständlich im Mittelpunkt des Universums, umgeben von den Elementen des Wassers, der Luft, des Feuers und des geheimnisvollen Äthers, aus dem auch die Auferstehungsleiber der Verstorbenen bestehen sollten. Bildlich gesprochen verstand die Kirche das Weltall als eine Art Zwiebel. Eine Anzahl kristalliner Hohlkugeln lagerte sich um die Erde; in diese Sphären waren die Sterne eingeschlagen wie silberne Nägel.

Komplizierte Mechanik

Um das Offensichtliche zu erklären, also warum sich der gesamte Himmel vor unseren Augen dreht, wurde von der Kirche eine hochkomplizierte Mechanik erdacht. Ausgehend von der äußersten Sphäre, welche die Hauptrichtung bestimmte, unterlagen alle anderen Sphären einer Drehbewegung. Ptolemäus, aber auch griechische Denker, wollten damit in der Antike eine geometrisch befriedigende Theorie für die Unregelmäßigkeiten der Planetenbewegung schaffen.

Das theoretische Gebilde war jedoch ungemein umständlich und komplex. Der Herkunft des Ptolemäus gemäß, wäre der Begriff »arabesk« am ehesten angemessen. Es funktionierte wie eine Art Riesenrad: die Erde im Mittelpunkt, am Außenring die Gondeln, die sich aber jeweils um eigene Mittelpunkte drehten. Es war das Prinzip der Epizyklen. Insgesamt gab es in den kirchlich anerkannten Modellen des 16. Jahrhunderts 40 davon, wenn man das Rad, an dem die Fixsterne durch das All gedreht wurden, mitrechnet.

Sonne aus dem Mittelpunkt verdrängt

Diese aus unserer heutigen Sicht zwar geometrisch äußerst trickreiche, aber – an den wirklichen Gegebenheiten gemessen – wahrhaft hirnverbrannte Theorie fiel mit einem Schlag weg, wenn man einfach die Sonne anstelle der Erde in den Mittelpunkt setzte und die Erde und die anderen Planeten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten um diesen neuen Mittelpunkt kreisen ließ. Plötzlich klärte sich alles. Alles wurde einfach. Alles war logisch. Eigentlich göttlich. Es gab – für die Kirche – nur ein einziges wesentliches Problem dabei: Die Erde stand nicht mehr im Mittelpunkt des Universums.

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Bruno gefiel der Gedanke. Er machte Gott, seinen Gott, groß wie nie zuvor. Bruno griff den Gedanken auf und entwickelte ihn weiter. Er sprach von einer unendlichen Anzahl von Welten. Er sprach vom Weltall als einem Gott im Werden. Er sprach davon, dass die sechs Tage der Schöpfung bildlich zu verstehen seien und dass sie immer noch andauerten. Er verlachte die biblischen Buchhalter, die das Alter der Welt auf Tag und Stunde genau zu wissen glaubten, vor allem aber, dass es nicht mehr als 8.000 Jahre sein konnten. Er sprach von einer unendlichen Fülle von Möglichkeiten. Er sprach von der göttlichen Aufgabe, sich selbst zu verwirklichen und zu vervollkommnen.

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Stand: 17.02.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Giordano Bruno
Ein Kosmologe stirbt für die Wahrheit

Himmelsmechanik mit Tricks
Das kirchliche Weltbild des Universums

„Frecher Frevel“
Brunos Sicht des Universums

Giordano – der Mensch
Ungestüm, emotional und unabhängig

Begrabene Hoffnung
Folter, Kerker und Verachtung

Das Urteil
Als Ketzer verdammt

Die Hinrichtung
Beharrend bis zum Ende

Jahrhunderte später
Späte Rehabilitation

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