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Lehrjahre im Schoße der Renaissance

Eine Jugend in der Toskana

Ein paar Bauernhäuser aus hellen Feldsteinen, eine Anhöhe mit weitem Blick über Pinien, Ölbäume und Zypressenhaine, ringsum Felder, die sich von Hügel zu Hügel ziehen. So sieht Anchiano noch heute aus, ein winziges Dorf im Norden der Toskana. Am 15. April des Jahres 1452, gegen drei Uhr nachts, wird hier das wohl größte Genie seiner Zeit geboren – Leonardo da Vinci.

Familienverhältnisse

Das Geburtshaus Leonardo da Vincis in Anchiano © Il Museo Leonardiano di Vinci

Seine Mutter ist die Herbergsmagd Caterina, sein Vater Ser Piero, ein angesehener Florentiner Notar. Leonardo kommt unehelich zur Welt, doch die ungeordneten Familienverhältnisse sind zur damaligen Zeit kein Problem. Ser Piero erkennt Leonardo als Sohn an, gibt ihn aber zunächst zu einer Bauernfamilie in Pflege. Mit fünf Jahren holt er ihn zu sich und seiner Frau Albiera, die er sechs Monate nach Leonardos Geburt geheiratet hat.

Die väterliche Familie lebt zu dieser Zeit in Vinci. Später wird Leonardo die Stadt als seine Heimat ansehen und ihren Namen annehmen. Hier geht der Junge ein paar Jahre zur Schule, unregelmäßig zwar, aber er lernt schreiben und lesen. Die vier Grundrechenarten beherrscht er bis zu seinem Lebensende nicht richtig. Doch Leonardo ist wissbegierig. Allein oder mit seinem Onkel Francesco durchstreift er die Natur, beobachtet Pflanzen und Tiere, erforscht Flüsse und Höhlen, geht frei und ungezwungen seinen Erkundungen auf dem Lande nach.

Lehrjahre bei Meister Verrocchio

Die Universität darf Leonardo aufgrund seiner niederen gesellschaftlichen Stellung nicht besuchen. Doch als Ser Piero das künstlerische Talent seines Sohnes entdeckt, besorgt er ihm eine Lehrstelle beim Florentiner Meister Andrea del Verrocchio. Verrocchio ist Goldschmied, Maler, Bildhauer, Musiker und Holzschnitzer, kein herausragend kreativer Geist, aber ein guter Handwerker. Und er betreibt die vielseitigste der zahlreichen Werkstätten in Florenz. Hier im Zentrum Italiens beginnt Leonardo mit 14 Jahren seine künstlerische Ausbildung.

Ganz im Sinne der aufblühenden Renaissance, die die Traditionen der Antike wieder aufnimmt und im schöpferischen Menschen den Quell der Erkenntnis sieht, erlangt er ein breites Repertoire an Kunstfertigkeiten, die seinem unsteten, suchenden Wesen entgegenkommen. Er malt, zeichnet, modelliert, gießt und bearbeitet Bronze, er schneidert Kostüme und ist an der Ausrichtung prunkvoller Feste für die toskanischen Höfe beteiligt. Verrocchio selbst wird sich angesichts der Ausdruckskraft von Leonardos Arbeiten seiner eigenen Grenzen bewusst. Als ihm Leonardo für sein Gemälde „Die Taufe Christi“ einen Engel malt und der Junge damit das Werk seines Lehrers in den Schatten stellt, legt Verrocchio für immer den Pinsel aus der Hand – so behauptet es zumindest die Legende.

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Leonardo wird selbständig

Mit 20 Jahren wird Leonardo in die St.-Lukas-Gilde, die Maler-Zunft von Florenz aufgenommen. Er ist jetzt selbst Meister, darf sich selbständig machen und auf Rechnung arbeiten. Leonardo freundet sich mit Sandro Botticelli und Pietro Perugino an und pflegt Kontakte zu anderen Künstlern, die es in Heerscharen nach Florenz zieht. 1476 eröffnet er sein eigenes Atelier, doch er ist wenig erfolgreich. Von den Medici wird er ignoriert, weil er sich nichts aus Politik macht. Als er schließlich der Homosexualität angeklagt wird und ihm Arbeitsverbot und öffentliche Ächtung drohen, beschließt er, sich einen neuen Schutzherren zu suchen.

In einem „Bewerbungsschreiben“ an Ludovico Sforza, den späteren Herzog von Mailand, preist er seine Kenntnisse bei der Herstellung von Kriegsgerät an. Er könne uneinnehmbare Wagen, Bombarden, Mörser und Wurfgeschütze bauen, wüsste, wie man Schiffe verteidigt oder unbeschadet unter Angriffslinien hindurch käme. Leonardo ist äußerst zuversichtlich, mit seinen Erfindungen allen Belangen der Kriegsführung gerecht zu werden, und erwähnt nur nebenbei seine sonstigen Talente wie das Malen und die Bildhauerei. – Um 1482 verlässt Leonardo dann Florenz und geht nach Mailand…

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Stand: 27.01.2005

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Leonardo da Vinci
Genialer Geist im falschen Jahrhundert

Lehrjahre im Schoße der Renaissance
Eine Jugend in der Toskana

Malend zur Erkenntnis
Aus der Kunst wird Wissenschaft

Eine Frage der Perspektive
Lust und Frust beim „Abendmahl“

„Ein Kanal von der Brust zur Gebärmutter“
Anatomische Studien

„Die Mechanik ist das Paradies der Mathematik“
Von Automobilen, Fahrrädern und Perpetua mobilia

Der Vögel Flug
Leonardos Traum vom Fliegen

„Flüsse haben die Berge zersägt“
Wie Leonardo die Welt sah

Der Fluch des Unvollendeten
Achillesferse eines Genies

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