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Evolution

Grenzgänger zwischen Wasser und Land

Die Wiederentdeckung von Latimeria chalumnae

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Die Erde vor rund 400 Millionen Jahren im Zeitalter des Devons. Auf der Nordhalbkugel liegt zu der Zeit der „Old Red Continent“ unmittelbar in der Nähe des Äquators. Während die ersten Pflanzen schon Jahrmillionen zuvor damit begonnen haben, das Festland zu erobern, sind Wirbeltiere hier noch nicht zu finden. Im Wasser dagegen tummelt sich eine biologische Vielfalt, die für diesen frühen Zeitpunkt der Evolutionsgeschichte erstaunlich ist. Urhaie sind darunter, Lungenfische, aber auch Schnecken, Muscheln oder Krebse.

Und dann gibt es in den Urmeeren noch ein Lebewesen, das eigentlich schon beste Voraussetzungen mitbringt, um irgendwann einmal an Land zu gehen – der Quastenflosser. Seine vier Muskel-bepackten Flossen ähneln vom Aufbau des Skelettes her den Füßen der späteren Uramphibien. Die gut anderthalb bis zwei Meter langen Tiere bewegen die Flossen beim Schwimmen nicht nur alternierend synchron wie die heutigen Landwirbeltiere, sie können sich mit ihrer Hilfe vermutlich auch über den Meeresboden vorwärts „hangeln“.

Manche Wissenschaftler vermuten heute, dass die urtümlichen Fische sogar in der Lage waren kurze Strecken über Land zurückzulegen, um beispielsweise von einem Tümpel zum nächsten zu gelangen. Umstritten ist aber, ob sich aus den Quastenflossern im Laufe der Evolution tatsächlich die ersten vierfüßigen Landwirbeltiere wie Ichthyostega entwickelt haben. Das Uramphibium verließ vor circa 370 Millionen Jahren das Meer zwar zumindest zeitweilig, neuere Erbgutuntersuchungen legen jedoch nahe, dass es vielleicht doch eher die Lungenfische waren, denen irgendwann einmal der Sprung an Land gelang.

Fossilien belegen, dass Quastenflosser vom Devon an länger als 300 Millionen Jahre auf der Erde lebten und mit mehr als 70 Arten große Teile der damaligen Weltmeere bevölkerten. Vor rund 70 bis 100 Millionen Jahren ging dann die Hochzeit der Quastenflosser zu Ende. Aus dieser Zeit jedenfalls stammen die letzten fossilen Funde. Für die Wissenschaftler ist dies ein sicheres Indiz, dass die Tiere damals – vielleicht sogar zusammen mit den Dinosauriern – ausgestorben waren.

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Ein spektakulärer Fund

Doch auch Wissenschaftler können irren. Südafrika im Jahr 1938. Es ist der 22. Dezember, kurz vor Weihnachten. Wie so häufig sieht sich Marjorie Courtenay-Latimer vom Museum von East London an der Ostküste Südafrikas auf einem lokalen Fischmarkt um. Sie ist wieder Mal auf der Suche nach neuen interessanten Meerestieren, die hier häufiger angelandet werden. Bei einem gerade eingetroffenen Fisch-Trawler stößt sie auf einen etwa 1,5 Meter langen, knapp 60 Kilo schweren Fisch mit großen Schuppen. Sie weiß zwar nicht genau, was sie da in den Händen hält, aber sie hat den Verdacht, dass es sich um eine Rarität handeln könnte.

Deshalb lässt sie den Fisch ins Institut schaffen und konserviert ihn zur Sicherheit erst einmal. Dann macht sie sich daran, den Kadaver genauer zu bestimmen. Doch zunächst ohne Erfolg. Sie fertigt aber eine Zeichnung an und informiert Professor James L.B Smith von der Universität in Grahamstown über ihren außergewöhnlichen Fund. Der anerkannte Experte traut seinen Augen kaum, doch nach einigem Überlegen, Nachschlagen und Vergleichen gibt es nur einen Schluss: Bei dem Fisch handelt es sich definitiv um ein Tier, dass es nach gängiger Lehrmeinung lebendig eigentlich gar nicht mehr geben durfte – einen Quastenflosser.

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Stand: 10.12.2004

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Lebende Fossilien
Überlebenskünstler oder Auslaufmodelle der Evolution?

„Leben heißt Veränderung“
Darwin und die lebenden Fossilien

Grenzgänger zwischen Wasser und Land
Die Wiederentdeckung von Latimeria chalumnae

Latimeria-Manie
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