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Technik

Wenn Inseln von alleine wachsen

Wolfgang Hilbertz und sein Biorock

Die künstlichen Inseln des Wolfgang Hilbertz stehen weder auf Stelzen, noch werden sie aufgeschüttet – sie wachsen. Scheinbar ganz von selbst nehmen die unscheinbaren Steinhaufen an Höhe und Größe zu und streben vom Meeresboden der Wasseroberfläche entgegen.

Kalkstein © NOAA

Den Grundstein für seine ungewöhnliche Methode entdeckt Wolfgang Hilbertz ganz zufällig: Anfang der 1970er Jahre ist der Architekt und Umweltdesigner im Kurort Bad Salzuflen zu Besuch. Hier tropft ständig eine Solelösung über Reisiggerüste, der entstehende Solenebel soll Atemwegserkrankungen lindern.

Doch Hilbertz interessiert sich weniger für den heilenden Nebel, als vielmehr für das, was davon übrigbleibt: Auf dem Reisig setzt sich im Laufe der Zeit ein festes Substrat ab. Könnte man dieses Material vielleicht als Baustoff nutzen? Der Forscher beginnt zu experimentieren: Er senkt ein Drahtgewebe in Meerwasser und legt einen Gleichstrom an – und tatsächlich hat sich am nächsten morgen eine dünne Kruste aus Kalziumkarbonat gemischt mit Magnesiumhydroxid auf dem Draht abgelagert.

Nach weiterem Rumprobieren optimiert Hilbertz seine Methode und erhält ein Material, das ähnliche Eigenschaften wie Leichtbeton besitzt, aber darüber hinaus erheblich weniger umweltschädlich bei der Herstellung ist. Das gezüchtete Biogestein kann sogar gemahlen und zu Hohlblocksteinen verarbeitet werden. Und das bringt ihn auf eine Idee: Warum nicht dieses Wachstum an Ort und Stelle, mitten im Meer als Grundstock für eine künstliche Insel einsetzen?

Der Umweltdesigner hat bald einen optimalen Ort für seine Vision gefunden: Saya-de-Malha, eine Sandbank mitten im Indischen Ozean zwischen Madagaskar und den Seychellen. Im nur neun Meter tiefen Wasser versenkt Hilbertz 1997 ein drei Meter hohes Stahlgerüst, das von einem mit Solarzellen bedeckten Floß mit Gleichstrom versorgt wird. Bald beginnt sich auf dem Metall der „Biorock“ abzulagern, der Anfang seiner künstlichen Insel ist gemacht.

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Noch hat die langsam wachsende Insel „Ecopolis“ nicht die Meeresoberfläche durchstoßen, aber noch während der Biorock Zentimeter um Zentimeter zulegt, wird er gleichzeitig zu einem Refugium für heimatlose Korallen und andere Riffbewohner. Und das nicht nur im Indischen Ozean sondern auch anderswo in der Welt.

Zusammen mit Korallenforschern setzt Hilbertz inzwischen seinen Biorock als Baumaterial für künstliche Riffe ein. Denn die winzigen Koloniebewohner scheinen das Kunstgestein mehr zu lieben als alles andere, was bislang als Material für künstliche „Korallenarchen“ getestet wurde.

Bis seine Insel im Meer fertig ist, ist Hilbertz daher vollauf damit beschäftigt, statt einer Zuflucht für zivilisationsmüde Menschen Ausweichquartiere für vom Aussterben bedrohte Korallen zu bauen…

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Stand: 20.10.2003

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Künstliche Inseln
Von der Utopie zum aktuellen Trend?

Drang aufs Wasser
Künstliche Inseln gestern, heute und morgen

Palmen im Ozean
Ein Scheich, eine Vision und das Meer

Ein Flughafen im Meer
Die künstliche Insel Kansai Airport

"Land unter" für Kansai?
Ein Prestigeobjekt versinkt im Meer

Ingenieurskunst gegen das Versinken
Mit Kunststoffgewebe, Sandsäulen und Saugbaggern

Giganten auf Stelzen
Troll A und andere Pfahlbauten

Wenn Städte baden gehen...
Aquapolis als Zukunftsmodell?

Pontons, Jetset und ein Band aus Inseln
Die Visionen der Architekten

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Wolfgang Hilbertz und sein Biorock

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