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Psychologie

Wie Kunst die Psyche beeinflusst

Psychologie

Kunst als therapeutische Ausdrucksform – so können Patienten ohne Worte ihr Inneres beschreiben. © pixabay, stux (CCO)

Wie wirkt Kunst? Auf diese einfache Frage, gibt es eine erstaunlich einfache Antwort. Kunst wirkt wie Medizin. Nimmt sie jemand auf nüchternen Magen, wirkt sie viel intensiver. Auf Kunst übertragen bedeutet dies, dass Kunst dann am intensivsten wirkt, wenn die Betrachtung ohne Störungen, Erwartungen und Belastungen erfolgt. Das klingt einfach, die Umsetzung stellt sich jedoch als schwierig heraus. Denn jeder hat eine bestimmte Vorstellung davon, was Kunst sein soll und wie sie zu wirken hat. Vielleicht hilft es, Kunst nicht als solche zu deklarieren, ohne das Etikett könnte die Kunst Teil der Realität sein. Durch das vorurteilsfreie Betrachten kann die Kunst ganz unterschiedliche Bereiche des Bewusstseins anregen.

Vorurteilsfrei in den Spiegel schauen

Kunst, im Speziellen gemalte Kunst, hat eine spürbare Wirkung auf den Betrachter. Doch diese Wirkung geht eigentlich gar nicht vom Kunstwerk selbst auch, sondern mehr vom Betrachter. Die Betrachtung eines Bildes ist wie ein Blick in den Spiegel. Der Spiegel zeigt eine objektive Botschaft, erst durch die Gedanken, Gefühle und Erwartungen des Betrachters kommt eine Wertung hinzu. Genauso ist es mit einem Kunstwerk. Ein schwarzes Bild kann den Betrachter traurig machen. Statt darüber zu lamentieren, wie traurig das schwarze Bild macht, ließe sich stattdessen die Frage stellen, warum der Betrachter so empfindet oder aus welchem Grund der Maler das Bild so gemalt hat. Die traurigmachende Wirkung ist nicht Problem des Bildes, sondern sie resultiert aus den Erfahrungen und Erwartungen der Person, die das Bild ansieht.

Die Acryl-Bilder von Martin Klein zum Beispiel haben teilweise etwas Abstraktes. Das Bild „Bent houses“ setzt die Regeln der Statik außer Kraft. Es richtet sich gezielt gegen Gleichförmigkeit, gegen architektonische und geometrische Genauigkeit. Die Häuser wirken lebendig, als würden sie tanzen und erinnern an Comiczeichnungen. Kunst ist eine besondere Art, sich mit der Realität auseinanderzusetzen. Wodurch entsteht diese Wirkung? Hat das Bild eine eigene Ausstrahlung? Oder sind es die Seherfahrungen des Betrachters, die diese Eindrücke entstehen lassen?

Kunsttherapie – Gefühle ohne Worte ausdrücken

Kunst kann die Menschen jedoch nicht nur beim Betrachten beeinflussen. Kunst kann eine Möglichkeit sein, sich gestalterisch zu betätigen und dabei einen Weg zu finden, Gefühle auszudrücken, Konflikte zu bearbeiten, Selbstvertrauen aufzubauen oder schwierige Lebensabschnitte zu bewältigen. Kunst als Therapieform kommt immer dann zum Einsatz, wenn Menschen an ihre Grenzen stoßen und traumatische Erlebnisse einfach nicht in Worte fassen können. Auch im Rahmen der Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen kann Kunst zur Ausdrucksform werden. Beispiele sind Depressionen, Essstörungen, Angststörungen oder Krebserkrankungen. Hier wird die Kunst zur Ausdrucksform für das Unfassbare. Sie kommt sowohl in der Kinderheilkunde wie bei der Behandlung alter Menschen zum Einsatz. Die Psychologie forscht schon lange auf dem Gebiet der Kunst. Irene Daum beschreibt das sehr ausführlich in ihrem Artikel „Psychologie und Kunst“.

Gestaltungstherapie – was ist der Unterschied zur Kunsttherapie?

Kunsttherapie und Gestaltungstherapie, die beiden Begriffe verwenden viele als Synonym. Manche Therapeuten möchten mit dem Begriff Gestaltungstherapie dem Patienten die Angst nehmen, etwas Anspruchsvolles anfertigen zu müssen. Die gestalterische Tätigkeit kann Unbewusstes zutage bringen. Erst danach sind Analyse und Behandlung möglich. Die Gestaltungstherapie ist eine psychodynamisch orientierte Therapieform, bei der das gestaltete Werk als drittes Element neben Patient und Therapeut eine wichtige Rolle spielt. Die Sitzungen während einer kunst- oder gestaltungstherapeutischen Behandlung folgen keinen festgelegten Regeln. Meist beginnt diese Therapie ebenfalls mit einem Gespräch, das kann in einer kleinen Gruppe oder individuell erfolgen. Dabei geht es um die Sorgen, Wünsche und Probleme der Patienten. Anschließend macht der Therapeut einen Gestaltungsvorschlag. Während der Entstehung des Kunstwerks hält sich der Therapeut eher im Hintergrund, beobachtet oder gibt Hilfestellung. Anschließend stellen die Teilnehmer ihre Werke vor, erklären, was sie während der Gestaltung gefühlt haben oder warum die Gestaltung genau so gewählt wurde. Alle dürfen dann Fragen stellen und das Werk kommentieren sowie erklären, welche Eindrücke beim Betrachten entstanden sind.

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Eines der bekanntesten Werke des depressiven Künstlers Edvard Munch ist "Der Schrei". © pixabay, Geralt (CCO)

Psychologische Probleme beeinflussen die Arbeit der Künstler

Viele Künstler waren in ihrem Leben von psychologischen Problemen geprägt. Beispielsweise litten Michelangelo, Wassily Kandinsky oder Edvard Munch an Depressionen. Isa Genzken, eine zeitgenössische Künstlerin, leidet an einer bipolaren Störung. Arbeit und Lebensführung von Henri Tourlouse-Lautrec oder Jackson Pollock sind von langjährigem Alkoholkonsum geprägt. Auslöser für die Probleme sind meist belastende Lebensereignisse, Selbstzweifel oder negatives Feedback durch Künstlerkollegen oder die Öffentlichkeit. In der modernen Zeit kommen die ständige Medienpräsenz und der Druck, als Person des öffentlichen Interesses zu leben, als schwierige Herausforderung hinzu.

Abstrakte Kunst kann als Ausdruck der Befreiung von Einschränkungen gesehen werden. © pixabay.com, Perlinator (CCO)

Die Demenzerkrankung ist eine neurologische Störung, die Hirnfunktionen verändern kann. Die Werke des Niederländers Willem DeKooning zeigen eindrucksvoll, wie die Demenzerkrankung sein künstlerisches Schaffen beeinflusst. Die Werke werden zunehmend abstrakter. Das gespeicherte visuelle Wissen verschwimmt mehr und mehr, die inneren Bilder entstehen auf andere Weise. Beispiele für abstrakte Kunst hat die Universitätsbibliothek Weimar in ihren digitalen Sammlungen zusammengestellt.

Kunst und Kunstgenuss in der Wahrnehmung

Ein Kunstwerk kann vielfältige Gefühle beim Betrachter auslösen. Die Facetten gehen von Ekel und Freude über Gefallen und Interesse bis hin zu Faszination. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen sind das natürlich Inhalt und Motiv des Kunstwerks, aber auch die Stimmung des Betrachters, dessen Erfahrungen und der Umstand, wie vertraut dieser mit Kunst ist. Auch Bekanntheitsgrad und Marktwert eines Künstlers beeinflussen die Wahrnehmung. Durchschnittliche Betrachter bevorzugen gegenständliche Kunst. Je mehr sie sich jedoch mit abstrakter Kunst befassen, desto mehr lernen sie diese zu schätzen. In diesem Zusammenhang hat die Wahrnehmungspsychologie in neuester Zeit Einfluss genommen.

Ein prominentes Beispiel sind die optischen Täuschungen von M.C. Escher, der mathematisch inspirierte Arbeiten erstellt. Auf den ersten Blick wirkt alles naturalistisch. Auf den zweiten Blick haben die Bilder eine überraschende, teilweise verstörende Wirkung. Beispielsweise die unmöglichen Dreiecke. Strukturell entsprechen sie überall der Norm. Als dreidimensionales ganzes Objekt sind sie jedoch unmöglich. Dabei überfordern seine Arbeiten das visuelle System des Menschen, das dazu tendiert, dreidimensionale Objekte aus zweidimensionalen Vorlagen zu generieren.

(Der Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit dem externen Autor Daniel Theiss., 24.11.2017 – )

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