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Gesellschaft

Minimum Minimorum: Die Reduzierung der deutschen Sprache auf das Wesentliche

Sprachphänomene

Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden 2015 rund 477.000 Asylanträge gestellt. So viele wie seit 1993 nicht mehr. Auch in diesem Jahr (2016) wird mit vielen neuen Einwanderern gerechnet. In Fachkreisen wird bereits diskutiert, wie sie die deutsche Gesellschaft verändern könnten. Wenig Beachtung scheint man der deutschen Sprache zu schenken. Diese hat vor vielen Jahren begonnen, sich zu verändern. Der nachfolgende Artikel entstand in Zusammenarbeit mit den professionellen Ghostwritern für den Bereich Sprachwissenschaften von Business And Science.

Weniger ist nicht immer mehr

Die deutsche Sprache befindet sich in einem Wandel. Regeln, die seit Jahren angewandt wurden, werden nun missachtet oder verändert. Ein Beispiel:

Kommst Du mit Kino?

Präpositionen und Artikel werden in solchen Sätzen weggelassen. Bei türkischen Bewohnern ist diese sprachliche Äußerung damit zu begründen, dass es in ihrer Sprache Artikel und Präpositionen nicht gibt. Wie aber erklärt man das Weglassen bei deutschen Muttersprachlern?

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Wo die Ursache genau liegt, ist schwer zu sagen. In der Schule werden so sprechende Schüler mit Sicherheit von ihrem Deutschlehrer korrigiert. Später, in der Freizeit, wird kein Freund oder Bekannte den Deutschlehrer spielen wollen. Das erklärt aber noch nicht den Grund, umgangssprachliches Deutsch sprechen zu wollen.

Kurzdeutsch ist kein Phänomen der ausländischen Bürger

Wer an dieser Stelle davon überzeugt ist, dass nur Ausländer Kurzdeutsch, auch Kiezdeutsch genannt, beherrschen, der irrt. Kurzdeutsch wird mit einem jugendlichen Image verbunden[1]. Deutsche Muttersprachler wollen cool klingen und lassen dabei das eine oder andere (wichtige) Wort verschwinden.

Um die Reduzierung der Worte zu begreifen, müssen wir einige Jahre in die Vergangenheit zurückgehen, als sich die Jugend tatsächlich kurz fassen musste. Mobiltelefone kamen in Mode und mit ihnen die Kurznachricht, SMS genannt. Aufgrund der Netzlimitierung ist die SMS auf 160 Zeichen begrenzt. Große Texte konnte man damals nicht verfassen, sodass die Menschen lernten, Wörter abzukürzen. Herausgekommen sind Abkürzungen wie ihdgdl (Ich hab Dich ganz doll lieb) und kild (Kuss, ich liebe Dich). Weitere Abkürzungen gibt es hier.

Mehr als fünfzehn Jahre später befindet sich in fast jeder Hosentasche ein Smartphone mit Internetanschluss. Die 160-Zeichen-Limitierung ist in Zeiten von WhatsApp und Co. Schnee von gestern. Warum also besteht weiterhin der Drang, sich kurzfassen zu wollen? Die Begründung könnte die Folgende sein: Zwar können wir heute endlos lange Nachrichten schreiben, jedoch ist unsere Zeit begrenzt. 2015 wurden rund 667 Millionen Nachrichten über den Dienst WhatsApp täglich versendet[2]. Angesichts der Tatsache, dass es 46 Millionen Smartphone-Besitzer in Deutschland gibt, verschickt jeder einzelne Verbraucher durchschnittlich 15 WhatsApp-Nachrichten pro Tag. In diese Statistik sind andere Dienste (SMS, Facebook, Twitter, et cetera) nicht eingeschlossen.

Der Ghettoslang in privaten Textnachrichten

Die Jugend ist nicht die einzige Generation, die sich für Kiezdeutsch begeistert. Auch Erwachsene – insbesondere jene, die mit Kurznachrichten aufgewachsen sind – schreiben in abgehakten Sätzen private Nachrichten. Wenn es Mal schnell gehen muss, werden Texte wie „Ischwör“ anstelle von „Ich schwöre“ versendet.

Die Sprachwahl in privaten Nachrichten hat wenig mit der Tatsache zu tun, jugendlich klingen zu wollen. Stattdessen möchte man sich einfach nur verständlich ausdrücken, ohne endlos lange Sätze zu schreiben. Aus diesem Grund werden meist auch alle Regeln der Grammatik missachtet (ohne Punkt und Komma schreiben).

Wie interkulturelle Kontakte die Sprache verändern

Deutschland ist nicht das einzige Land, dessen Sprache durch die Entwicklung der Gesellschaft verändert wurde. So wie es das Kiezdeutsch in Berlin-Kreuzberg gibt, sind ähnliche sprachliche Veränderungen in anderen europäischen Ländern wie Dänemark (københavnsk multietnolekt), den Niederlanden (straattaal) sowie Schweden (Rinkeby-Svenska) zu beobachten.

In den drei Ländern herrscht dieselbe Entwicklung: Die Sprachen entstanden durch Jugendliche aus Wohnvierteln mit kultureller, sprachlicher sowie ethnischer Vielfalt. Sie werden aber nicht ausschließlich von den Bewohnern dieser Viertel gesprochen.

Ein Blick auf Übersee – die Sprachwandlung in den USA

Während die Sprachentwicklung in Deutschland erst in den 1990er Jahren begann, ist sie in USA weitaus früher zu beobachten. Interessant ist bei den Amerikanern, dass die Sprache nicht nur durch andere Kulturen verändert wurde. Ursprünge gibt es bei den eigenen Einwohnern. Ein Beispiel sind die Bewohner der Südstaaten, die Southern American English sprechen:

  • Ansprache einer Gruppe: das Wort y’all (kurz für you all; Ihr alle) wird in dem Kontext all y’all verwendet. Gemeint wird, dass man jede Person der Gruppe kennt. Kurios wird es, wenn ein s angehängt wird (I’ve got all y’all’s papers here). Das Interessante an dem Term y’all ist, dass er ausdrücklich eine Gruppe meint und sich von der Ansprache you (eine Person oder eine Gruppe) abgrenzt.

  • Doppelte Verneinung: Häufig anzutreffen ist auch die doppelte Verneinung: I’m not going nowhere anstelle von I’m not going anywhere. Eine doppelte Verneinung kann zwei Bedeutungen haben und sollte deshalb nicht verwendet werden.

Der Unterschied zwischen dem Soutern American Englisch und Kiezdeutsch ist recht groß. Die englische Variante hat kleine grammatikalische Veränderungen und neue Wörter im Vokabular. Das deutsche Kiezdeutsch ist dagegen eine drastische Abwandlung der hochdeutschen Sprache.

  1. 1. Quelle: Dissertation der Soziolinguistin Diana Marossek
  2. 2. Quelle: VATM; Dialog Consult

(, 18.03.2016 – )

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