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Technik

Perfekt gerüttelt: Next-Generation-Stromabnehmer für High-Speed-Züge

Technische Universität Wien

Wenn Züge schnell unterwegs sind, können deren Stromabnehmer den Kontakt zur Oberleitung verlieren. Es bilden sich Lichtbögen, der Verschleiß steigt an. Um das zu verhindern, werden an der TU Wien neue Verfahren entwickelt, um Dachstromabnehmer (auch: Pantographen) nicht bloß passiv durchrütteln zu lassen, sondern mit Hilfe eines ausgeklügelten Regelungssystems Schwingungen der Oberleitung vorherzusehen und aktiv entgegensteuern zu können. In Zusammenarbeit mit der Firma MELECS MWW GmbH wird am Standort Arsenal der TU Wien ein hochleistungsfähiger Pantographen-Prüfstand entwickelt, an dem die Beanspruchungen von Pantographen in Zugfahrten realitätsnah simuliert werden können. Dr. Alexander Schirrer vom Institut für Mechanik und Mechatronik der TU Wien erhielt für dieses Projekt den Wirtschaftskammerpreis 2013.

Lichtbögen zerstören Oberleitungen

Die Kopplung von Pantographen mit Oberleitungen stellt ein äußerst komplexes schwingungsfähiges System dar. Bei hohem Tempo kann es leicht passieren, dass die Fahrleitung nicht mehr direkt am Stromabnehmer aufliegt. „Wenn der Kontakt nicht mehr gegeben ist, zieht der Pantograph einen Lichtbogen. Es entsteht u.a. große Hitze, was dann zu starkem Verschleiß führt“, erklärt Alexander Schirrer. Nicht nur der Pantograph selbst kann so beschädigt werden, vor allem verursachen die Schäden an den Oberleitungen oft hohe Kosten.

Für Hochgeschwindigkeitszüge ist das ein schwerwiegendes Problem: Entweder muss man für sie aufwändige alternative Methoden der Strom-Übertragung finden, oder man entwickelt Pantographen, die trotzdem zuverlässig den Kontakt mit der Oberleitung halten.

Schwingungen elektronisch vorausahnen

„Einfach die Kraft zu messen, die von der Leitung auf den Pantographen ausgeübt wird, und abhängig davon die Position des Pantographen nachzujustieren, reicht nicht aus“, erklärt Prof. Stefan Jakubek, Leiter der Arbeitsgruppe für Regelungstechnik und Prozessautomatisierung. „Man braucht ein aktives Regelungssystem, das genau vorhersehen kann, wie sich das System in den nächsten Sekundenbruchteilen verhalten wird und vorausschauend die richtigen Maßnahmen ergreift.“

Damit das möglich wird, braucht man freilich ein mathematisches Modell, das die Oberleitungen, die Kopplung zwischen ihnen und ihre Wechselwirkung mit dem Pantographen genau beschreibt. „Mit einem nichtlinearen Modell mit vielen Freiheitsgraden können wir das Verhalten des Systems zwar gut verstehen, doch um es direkt in die Steuerung des Pantographen einzubauen ist es zu kompliziert“, sagt Stefan Jakubek. Die Steuerung muss auf der Skala von Sekundenbruchteilen ablaufen, für aufwändige Computerberechnungen bleibt da keine Zeit.

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Alexander Schirrer arbeitet daher daran, möglichst einfache Näherungslösungen zu entwickeln, mit denen man die Bewegung des Pantographen und der Oberleitung in Echtzeit anpassen kann. Genau dafür ist der neue Prüfstand von entscheidender Bedeutung: „Ein Industrieroboter gibt die Bewegung vor, die dem Verhalten der Oberleitungen bei einer Hochgeschwindigkeitsfahrt entspricht“, sagt Alexander Schirrer. „Fahrten von 300 oder 400 km/h können wir damit genau simulieren.“ Darunter befindet sich der Pantograph, dessen Bewegung mit Hilfe verschiedener Vorhersagemodelle in Echtzeit geregelt wird. So lässt sich genau studieren, wie gut neue Methoden zur aktiven Pantographenregelung in der Praxis funktionieren.

Von der Grundlagenforschung direkt zur Industrie-Anwendung

„Der Prüfstand erlaubt virtuelle Testfahrten bei hoher Geschwindigkeit unter genau kontrollierten Bedingungen. Für die Entwicklung verlässlicher Pantographen ist das unverzichtbar“, sagt Stefan Jakubek. Die Firma MELECS, die den Aufbau des Versuchsstandes finanzierte, wird so die Möglichkeit erhalten, höhere Einsatzflexibilität und vor allem geringere Lebenszykluskosten für ihre Produkte zu erreichen. Mit Hilfe der Forschung an der TU Wien soll MELECS zum Marktführer im Bereich der Pantographen für Hochgeschwindigkeitszüge werden. Von der Wirtschaftskammer Wien wurde das Projekt mit dem Wirtschaftskammerpreis 2013 ausgezeichnet, der mit 25.000 Euro dotiert ist.

(Technische Universität Wien, 30.07.2013 – KSA)

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